• Fokus: Humor

Mehr als ein Lachen

Während Traumdoktorin Dr. Cocobella Kinder spielerisch vom Spitalalltag ablenkt, widmet sich Humorberater Pello dem Einsatz von Humor am Arbeitsplatz, oft auch in Kliniken. Für beide ist klar: Humor bedeutet mehr als nur lustig sein.

Eine Traumdoktorin wie Dr. Cocobella bringt Farbe und Spiel in den Spitalalltag. Bild: Patrick Cernoch
Eine Traumdoktorin wie Dr. Cocobella bringt Farbe und Spiel in den Spitalalltag. Bild: Patrick Cernoch

Zwei Geräusche sind an diesem Nachmittag, kurz nach dem Mittag, auf dem Flur der Kinderklinik im Stadtspital Zürich Triemli zu hören: Das Weinen eines Kindes und das Rollen von Rädern. Plötzlich ertönt eine Stimme: «Coucou!» Dann ist es still. Die Stimme gehört zu Domenica Ammann alias Dr. Cocobella. Alle vier Wochen stattet die Traumdoktorin der Stiftung Theodora (siehe Kasten) den Kindern im Triemli einen Besuch ab. Stets dabei hat sie ihre treue Hündin Tschiga, die sie aus einem Blumentrog auf Rädern, einem Trichter, einer Abwaschbürste und anderen Alltagsgegenständen zusammengebaut hat.

Obwohl Domenica Ammann seit 15 Jahren als Dr. Cocobella unterwegs ist, habe sie vor jedem Spitalbesuch Lampenfieber, sagt sie. Denn anders als bei Besuchen in einer Institution für Kinder mit Beeinträchtigungen, wo sie immer wieder auf dieselben Kinder trifft, weiss sie im Spital nie, was sie erwartet. Dementsprechend aufmerksam ist sie, wenn sie an eine Tür klopft und fragt, ob sie und Tschiga eintreten dürfen. «Manche Kinder freuen sich von Beginn weg, andere reagieren eher ängstlich oder zurückhaltend.» In solchen Fällen interagiert sie zunächst nur mit den Eltern, oder – wie im Fall eines dreijährigen Mädchens, das nach einer ambulanten Untersuchung noch etwas eingeschüchtert wirkt – mit der älteren Schwester. Sie plaudert mit dieser, baut spielerisch eine Beziehung auf und lässt sie bei einem Zaubertrick mitmachen – bis auch die Kleine neugierig wird. Oft funktioniert das, aber nicht immer. «Wenn ein Kind nicht möchte, dann respektiere ich seinen Willen und ziehe mich zurück», sagt Dr. Cocobella. Der Spitalaufenthalt sei für ein Kind eine absolute Ausnahmesituation, in der es oft nicht viel selbst bestimmen könne. «Da tut es ihm vielleicht auch einfach gut, wenn es mal Nein sagen kann. Unsere Besuche haben einen weit grösseren Zweck, als nur die Kinder zum Lachen zu bringen.»

Wirksame Ablenkung

Ihren Rundgang beginnt Dr. Cocobella stets in der Neonatologie. Dort sind leise Töne angesagt: Mit ihrer Ukulele spielt und singt sie an jedem Bettlein Lieder, was oft auch auf die Eltern eine beruhigende Wirkung habe. Bei den grösseren Kindern macht sie Zaubertricks, formt Ballonfiguren, lässt Seifenblasen steigen, macht Klamauk und sucht das Gespräch mit den jungen Patientinnen und Patienten. Gerade bei Teenagern spiele sie oft nicht die Clownin, sondern frage sie nach ihren Interessen, sagt Dr. Cocobella. «Ich versuche stets, das Kind ins Zentrum zu stellen und nicht die Krankheit. Es soll vergessen können, dass es im Spital ist – auch wenn nur für einen Moment.» Wie wirkungsvoll diese Ablenkung ist, erlebt sie immer wieder in der Zusammenarbeit mit Ärztinnen, Ärzten und Pflegefachpersonen. Diese sind meist froh, wenn sie unangenehme Aufgaben wie etwa eine Blutabnahme in Anwesenheit von Dr. Cocobella erledigen können. Hat sie vorgängig etwas Zeit, um das Vertrauen des Kindes zu gewinnen, vermag sie es meist so einzunehmen, dass es seine Angst vergisst.

Ein Clown für das Spitalpersonal

Eine ähnliche und doch ganz andere Tätigkeit übt Heinz Meier alias Pello aus. Auch er kennt sich im klinischen Umfeld gut aus, arbeitet jedoch vorwiegend mit Erwachsenen. Ursprünglich als Clown, Mime und Maskenkünstler tätig, gab er seine Bühnenpräsenz ab Ende der 1990er-Jahre nach und nach zugunsten der Humorberatung auf. Unter anderem war er während 20 Jahren in der Rehaklinik Bad Zurzach tätig, wo er an einem Tag pro Woche den Klinikalltag mit humorvollen Aktionen auflockerte und mit Schmerzpatientinnen und -patienten arbeitete. Besonders am Herzen lagen ihm dabei die Mitarbeitenden. «Wenn sich das Spitalpersonal wohlfühlt, spüren dies auch die Patientinnen und Patienten», ist er überzeugt.

Balance finden

Humor, so stellt Pello bei einem Besuch in seinem Humorlabor in Basel fest, müsse nicht immer mit Lachen einhergehen. Dabei verweist er auf die Ursprünge des Wortes: In der Antike und bis ins 19. Jahrhundert waren mit «humores» die Körpersäfte (Blut, Galle, Schleim, schwarze Galle) gemeint, und nach der Temperamentenlehre beeinflusste das Verhältnis dieser Säfte den Gemütszustand. «Gleichgewicht ist hier das Stichwort», sagt Pello und nimmt eine Schiene und eine Kugel hervor, denn – so ist er überzeugt – Bilder bleiben besser haften als Worte. Langsam lässt er die Kugel in die eine, dann in die andere Richtung rollen und macht kurz in der Mitte halt. «Humor bedeutet, im Fluss zu bleiben. Manchmal geht es uns besser, manchmal schlechter. Und wenn wir wissen, wo unsere Mitte, unser Safe Place, ist, gelingt es uns besser, zu bestimmen, in welche Richtung wir wollen.»

Der spielerische Umgang mit der Realität

Egal ob Pello in einem Betrieb zu Besuch ist oder ob er Gäste im Humorlabor hat: Er will die Menschen zum Innehalten anregen. Er sei überzeugt, dass alle Menschen einen Humorschalter hätten, sagt er; also einen Schalter, der ihnen hilft, nicht alles zu ernst zu nehmen und auch in schwierigen Situationen gelassen zu reagieren. Um diesen zu aktivieren, bräuchten viele nur einen Impuls – und diesen gibt Pello ihnen gern. Er zeigt das Bild einer Galaxie und erklärt, wie manche Probleme kleiner werden, wenn man sich in Gedanken rausbeamt. Er nimmt Klebeband und macht um den zerbrochenen Teller einen Rahmen, sodass aus dem Missgeschick ein Kunstwerk entsteht. Er balanciert Gegenstände, bringt Federn und Seifenblasen zum Fliegen und wartet, bis sich eine gewisse Ruhe ausbreitet. Er lässt eine selbst gebastelte Papierschlange züngeln und sieht zu, wie sich auf dem Gesicht des Gegenübers ein Lächeln ausbreitet. All diese Dinge bräuchten nicht viel Zeit, könnten aber einen enormen Unterschied machen, ist er überzeugt: Beim Umgang mit unangenehmen Situationen, in denen ein Perspektivenwechsel helfe, Abstand zu gewinnen; beim Rapport, bei dem ein kurzes Innehalten für eine ruhigere Übergabe sorgt; beim Gespräch mit Patientinnen und Patienten, bei dem ein spielerischer Einstieg eine wohlige Atmosphäre schaffe. «Humor ist ein spielerischer Umgang mit der Realität – und der Mensch ist erst dann wirklich Mensch, wenn er spielt.»

In seinem Humorlabor gibt Pello den Menschen verschiedene Mittel mit auf den Weg, um ihren Humorschalter zu aktivieren. Bild: foto-mimmo.ch

Dazu gehören freundliche Hilfsmittel wie das fliegende Smiley … Bild: zvg

… und Klebeband, mit dem sich aus einem Missgeschick ein Kunstwerk machen lässt. Bild: zvg

Das Ziel des Maskenkünstlers Pello: Er will die Menschen zum Innehalten animieren. Bild: foto-mimmo.ch

Für Gross und Klein

Dies scheint sich auch Dr. Cocobella zu denken. Obwohl sie die Kinder besucht, macht sie kaum einen Unterschied zwischen Klein und Gross: Als eine Pflegefachperson auf dem Gang einen kleinen Bogen um Tschiga machen muss, entschuldigt sich Dr. Cocobella damit, dass ihr Hund noch nicht so gut erzogen sei, und rügt ihn dann zwar nett, aber so überzeugend, dass die Pflegefachperson einen Moment lang zu überlegen scheint, ob sie sich niederknien und seinen Waschlappenkopf streicheln soll. Und obwohl sie es nicht tut, bleibt auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln.

Seit 15 Jahren dabei und noch immer begeistert: Voller Enthusiasmus erzählt Domenica Ammann von ihren Erfahrungen als Traumdoktorin. Bild: Patrick Cernoch

Pinsel und Farbe helfen bei der Verwandlung in Dr. Cocobella. Bild: Patrick Cernoch

Etwas Farbe darf es sein, aber nicht zu viel. Bild: Patrick Cernoch

Mit ihrer natürlichen und einfühlsamen Art verbreitet Dr. Cocobella gute Laune – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Bild: Patrick Cernoch

Lachen und Spiel im Spitalalltag

Seit 1993 besuchen von der Stiftung Theodora organisierte Künstlerinnen und Künstler Kinder in Spitälern und spezialisierten Institutionen. Diese sogenannten Traumdoktoren verfügen alle über eine künstlerische Grundausbildung und haben eine einjährige Intensivausbildung absolviert, um den spezifischen Gegebenheiten im Gesundheitswesen gerecht werden zu können. Neben künstlerischen Fähigkeiten werden dabei auch ethische und entwicklungspsychologische Aspekte thematisiert. Die positive Wirkung von Lachen und Spielen im Krankenhaus zeigen verschiedene Studien.