• Medizin trifft Kunst

Ein Verein für ärztliche Kunst

Viele Ärztinnen und Ärzte haben ein Flair für Kunst, nicht selten sind sie auch selbst kreativ tätig. Seit 77 Jahren bietet der Verein Kunstausstellung der Schweizer Ärzte eine Bühne für Werke der bildenden Kunst – doch die Erwartungen an diese Plattform haben sich stark gewandelt.

«Atmosphäre im Spital». Bild: Wolfgang Winkler, 2025
«Atmosphäre im Spital». Bild: Wolfgang Winkler, 2025

Im 18. und 19. Jahrhundert war es üblich, dass grosse Köpfe der Medizin sich neben ihrem Arzt- oder medizinischen Lehrberuf auch als Politiker, Kunstexperten, Sammler und Kunstmäzene profilierten und manche sogar auf das künstlerische Gebiet wegweisenden Einfluss nahmen.

Auch heute noch sind auffallend viele medizinisch tätige Personen künstlerisch aktiv, ohne sich als Mitglied der Kunstszene zu verstehen. Bei ihrer Arbeit sind sie mit einem grossen Fächer von Fragen der Kultur und der Ethik sowie mit Emotionen wie Angst, Trauer, Mitgefühl, Geduld, Ekel, Scham, Dankbarkeit, Freude, Macht und Ohnmacht konfrontiert und erleben diese vermengt und widersprüchlich. Das Kunstschaffen dient ihnen oft der Zerstreuung, der Reflexion oder beidem – und ihre Werke entstehen vor diesem extrem weiten und vielschichtigen Hintergrund. Mit künstlerischer Umsetzung können Fachwissen und Erlebnisse im Beruf verknüpft und in sinnlicher Weise neu erfahren werden. Vielleicht werden sogar neue Perspektiven sichtbar.

Kunstausstellung der Schweizer Ärzte

Um diesen Werken der bildenden Kunst eine Bühne zu geben, wurde 1948 der Verein Kunstausstellung der Schweizer Ärzte – in der Folge nur als «Salon» bezeichnet – gegründet. Gründungsmitglied Dr. Hans Pfosi stellte 1950 fest: «Medizin und Kunst weisen bei eingehender Betrachtung mehr Wahlverwandtschaft auf als Medizin und Wissenschaft.»

Dementsprechend sind Ärztinnen und Ärzte nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in anderen Kunstrichtungen aktiv. So wurden in der Schweiz im Jahr 1956 die Vereinigung Schweizer Schriftstellerärzte und 1968 das erste Medizinerorchester I Medici gegründet.

Ständige Ausstellung in Murten

Als Ziele formulierten die Gründungsmitglieder des Salons Folgendes:

  • Jährliche Durchführung von Kunstausstellungen
  • Beteiligung an ausländischen Kunstausstellungen von Ärztinnen und Ärzten
  • Pflege der Kameradschaft durch gemeinsame Ausflüge und Besichtigungen

Bis 1990 organisierte der Salon die Jahresausstellungen abwechselnd an verschiedenen Orten. Seit 1991 ist das Rathaus Murten sein ständiger Ausstellungsort. In manchen Jahren wurde auch eine zweite, einmal sogar eine dritte Ausstellung organisiert.

Beteiligungen an ausländischen Ausstellungen gab es hingegen nur in den ersten Jahren, ebenso wie die gemeinsamen Ausflüge. Jedoch entwickelten sich die Eröffnungen der Jahresausstellungen, die über viele Jahre hinweg gemeinsam mit den musizierenden Ärztinnen und Ärzten gestaltet wurden, zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Anlass, der der Vereinigung Zusammenhalt gibt.

Medizin trifft Kunst

Die Verbindung von Kunst und Medizin hat eine lange Tradition; schon in der Antike galt die Kraft der Musik als heilend. Die Serie «Medizin trifft Kunst» widmet sich den vielfältigen Aspekten dieser Beziehung.

Mitgliedschaft im Verein

In den Anfängen waren nur Ärzte und eine Ärztin der Humanmedizin Aktivmitglieder des Salons. In den ersten Statuten von 1956 wurde dazu festgehalten: «Als Mitglieder werden aufgenommen: Ärztinnen und Ärzte, ausnahmsweise Tierärzte, Zahnärzte, Pharmazeuten und Studierende.»
Man war zwar offen für andere Heilberufe, doch weil jedes Jahr aus Platzgründen Werke der eigenen Mitglieder zurückgewiesen werden mussten, formulierte man vorsichtig. In den folgenden Jahrzehnten öffnete sich der Verein aber für Mitglieder aller Heilberufe, für Partnerinnen und Partner von aktiven Mitgliedern und für ausländische Berufskolleginnen und ‑kollegen. Aktuell zählt der Verein 65 Mitglieder, 59 davon sind aktiv.

Eine Auswahl von Werken der Ausstellung 2025 in Murten. «Ebbe», Peter Schlup. Farbholzschnitt, 2024

«Blumenteppich» (Ausschnitt), Antoinette Otz-Marbet. Aludosen, Wickeldraht, 2025

«Unfurling fern – hiding toad», Maria Bibiana Walshe. Pastell, 2022

«St. Ursanne», Lena Schweizer. Öl, 2023

«fake mirror», Jürg R. Eidenbenz-da Silva. Fotocollage auf Jute, Acryl, 2025

Wandelnde Beziehung zum Kunstmarkt

Von Beginn an stellen zwei Gruppen von Ärztinnen und Ärzten an den Jahresausstellungen des Salons ihre Werke aus. Diejenigen, die sich als Mitglied der Kunstszene sehen, und jene, die nur zur Erbauung oder zur Reflexion Kunst schaffen. Beide haben unterschiedliche Erwartungen an die Ausstellungen. Die einen wünschen sich eine einer Galerie vergleichbare, öffentliche Präsentation und die Möglichkeit, Werke zu verkaufen. Die anderen scheuen das und suchen einen intimeren und bescheideneren Rahmen. Sie sehen einen Verkauf von Werken nur im Zusammenhang mit wohltätigen Zwecken.

In den frühen Jahren der Vereinigung überwog die Gruppe der «Introvertierten» weit. Der Salon verstand sich eher als Mäzen denn als Versammlung von Künstlerinnen und Künstlern. Der Erlös aus den Ausstellungen wurde viele Jahre jeweils der Unterstützungskasse für Kunstschaffende in Genf überwiesen. Später organisierte man Ausstellungen als Benefizanlass. Mehrere Male wurde an der Jahresversammlung der Antrag, Werke an der Jahresausstellung verkaufen zu können, abgelehnt.

Doch im Laufe der Jahrzehnte verblasste das Bild vom Arzt als väterlichem Wohltäter, und die Zahl der Medizinerinnen und Mediziner mit künstlerischem Selbstbewusstsein wuchs. Das gesellschaftliche Umfeld wandelte sich bedeutend, unter anderem mit Auswirkungen auf die Finanzlage der Vereinigung. Die Aufwendungen für die Ausstellungen wurden grösser, wogegen die Zahl der Sponsoren, Gönnerinnen und Gönner drastisch abnahm.

In der Folge dieser Veränderungen musste sich der Verein anpassen. 2013 stimmte die Versammlung einem Verkauf von Werken an der Jahresausstellung zu, drei Jahre später wurde eine Galerieabgabe vom Verkaufspreis eingeführt, um die Vereinsfinanzen zu stützen.

In den 77 Jahren ihres Bestehens hat sich die Kunstausstellung der Schweizer Ärzte vom Event nahe einem Wohltätigkeitsanlass zu einer Organisation entwickelt, die mit einer Galerie vergleichbar ist.

Medizin in der Kunst

Medizin und Kunst werden oft in Zusammenhang gebracht und beeinflussen sich gegenseitig – und so ist es nicht verwunderlich, dass medizinische Aspekte auch künstlerisch verarbeitet werden.
Zeugnisse dafür gibt es in allen Zeitepochen, wenn man Votivgaben zum Schutz vor Krankheit oder Tod und Rituale zur Förderung der Fruchtbarkeit in die Betrachtung einbezieht.

Kunst im klerikalen Raum – insbesondere in der Heiligenverehrung – enthält sehr oft Hinweise auf Krankheiten und Verletzungen und ist auch deshalb heute oft Gegenstand von Studien.
Daraus ist sogar eine neue Fachrichtung entstanden, die Ikonodiagnostik: das Studium von Krankheiten und Verletzungen auf alten Werken.

Ganz zahlreich werden die Zeugnisse mit dem Aufkommen der Schrift und schliesslich mit dem Buchdruck. Neben den zahlreichen Werken zur Dokumentation entstehen auch Werke, die die Medizin selbst zum Thema haben.