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Die Titelerteilung dauert zu lange – was unternimmt das SIWF?

Die Wartefristen für die Titelerteilung beim Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) sind mit über sechs Monaten deutlich zu hoch. SIWF-Präsidentin Monika Brodmann Maeder und Geschäftsführer Jörg Gröbli erklären im Gespräch mit vsao-Präsident Severin Baerlocher, wie es so weit kommen konnte und was sie dagegen tun.

Bis der Facharzttitel auf dem Tisch liegt, brauchen Ärztinnen und Ärzte aktuell viel Geduld. Bild: vsao
Bis der Facharzttitel auf dem Tisch liegt, brauchen Ärztinnen und Ärzte aktuell viel Geduld. Bild: vsao

Severin Baerlocher (SB): Seit ich vor gut drei Jahren in den vsao-Geschäftsausschuss gewählt wurde, sorgt das Thema SIWF immer wieder für rote Köpfe. Warum?

Jörg Gröbli (JG): Es tut mir leid, dass das SIWF für Unmut sorgt, und wir setzen alle Hebel in Bewegung, um für die uns bekannten Probleme rasche und nachhaltige Lösungen zu finden. Uns ist bewusst, dass das SIWF in der Vergangenheit zu wenig transparent war. Oft wurde die Situation in Bezug auf die Fristen bei der Titelerteilung schöngeredet, aber passiert ist zu wenig. So hat sich viel Frust aufgestaut. Der Wechsel in der Geschäftsführung 2024 hat die Erwartung geweckt, dass nun alle Probleme in wenigen Monaten gelöst werden. Die Komplexität der Titelerteilung ist aber hoch. Von aussen sieht es einfach aus, aber die Titelerteilung ist stark reguliert und sehr komplex. Teilweise waren auch die internen Prozesse zu kompliziert. Aber die ganze Analyse, die Erhebung der Ist-Situation und die Vereinfachung der Prozesse brauchen Zeit. Wir haben die richtigen Massnahmen getroffen und umgesetzt, aber es braucht Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalten. Wir wissen, was wir tun, aber ich kann verstehen, dass die Geduld bei vielen aufgebraucht ist. Unser wichtigstes Anliegen ist es nun, die Dossierbearbeitung mit Hochdruck voranzutreiben, um so die Situation beruhigen zu können.

SB: Viele vsao-Mitglieder warten lange auf ihren Facharzttitel und müssen zum Teil ihren Stellenantritt verschieben, verlieren auch Geld. Versteht ihr, dass das für Frust sorgt?

JG: Ja, und ich bedauere den verursachten Ärger. Nach meinem Stellenantritt haben wir wie erwähnt die Situation analysiert und festgestellt, dass im Bereich der Titelerteilung einiges falsch läuft. Gleichzeitig hatten und haben wir mit personellen Engpässen zu kämpfen. Im November 2024 waren von sechs Fachspezialistinnen und -spezialisten fünf weg. Während wir also die Prozesse neu gestalteten, mussten wir auch neues Personal rekrutieren und dieses mit einem neuen Trainingskonzept von Grund auf schulen. Gleichzeitig ist der Berg an unbearbeiteten Gesuchen gewachsen. Nun sind wir auf einem guten Weg. Im April konnten wir doppelt so viele Gesuche bearbeiten wie noch im Vormonat. Die Trendwende ist also da – wenn auch noch auf einem bescheidenen Niveau.

SB: Ihr seid also nicht überrascht, dass die Bearbeitungsdauer weiter angestiegen ist?

JG: Nein, wir wussten, dass der Berg noch einmal höher wird. Es gibt aktuell viele pendente Dossiers, und es kommen täglich neue rein. Wir bewerten wöchentlich die Kapazität der Dossierbearbeitung und wissen daher, wie viele Dossiers wir pro Monat bearbeiten. Seit dem 1. Mai haben wir eine zusätzliche Fachperson, das Team ist aber noch nicht komplett. Wir rekrutieren immer noch und prüfen Lösungen mit Fachgesellschaften. Stand heute haben wir sieben Fachpersonen im Bereich Weiterbildungstitel. Vom Team Recht helfen zusätzlich drei Personen temporär aus. Aus anderen Bereichen unterstützen wir mit drei Personen die Telefonie. Das heisst, seit dem 1. Mai sind wir 13 Personen, die in diesem Bereich tätig sind. Das ist ein Silberstreifen am Horizont.

Monika Brodmann Maeder (MB): Es läuft intern sehr viel, aber von aussen sieht man das nicht. Langfristig haben wir das Ziel, in den Prozessen schlanker zu werden. Die Weiterbildungsprogramme sind zum Teil sehr komplex; wir haben 45 eidgenössische Facharzttitel mit komplett unterschiedlichen Programmen. Das müssen wir vereinfachen. Mit der Umstellung auf die kompetenzbasierte Weiterbildung wird das ermöglicht.

JG: Wir müssen das SIWF neu ausrichten und in die Digitalisierung investieren. Aber mit rund 35 Personen sind wir ein kleiner Betrieb. Wir müssen Prioritäten setzen.

SB: Ihr habt erwähnt, dass von aussen nicht ersichtlich ist, wie das SIWF arbeitet. Wie wollt ihr für Transparenz sorgen?

JG: Wir haben ein Kommunikationskonzept erarbeitet, das wir jetzt umsetzen. Wir können dabei auch auf die Unterstützung der FMH-Kommunikationsabteilung zählen. Wir schauen verschiedene Formate an; so sind wir daran, einen LinkedIn-Kanal zu öffnen. Zudem bereiten wir nun laufend Informationen auf, die auf der Website und in unserem neuen LinkedIn-Kanal publiziert werden. Ergänzend suchen wir das Gespräch mit dem vsao und den Fachgesellschaften.

SB: Gut, aber was ändert sich konkret für Ärztinnen und Ärzte, die Titelgesuche stellen? Werden die Zahlen transparent gemacht?

JG: Wir wollen und müssen die Dossierbearbeitung nun beschleunigen. Dafür rekrutieren wir weitere Fachpersonen, die die Dossiers prüfen. Zudem haben Fachgesellschaften ihre Unterstützung angeboten. Dafür sind wir dankbar, und wir prüfen nun, unter welchen Bedingungen ein Einsatz beim SIWF zielführend sein kann. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer und die Anzahl der verliehenen Titel pro Monat wollen wir transparent machen. Daran kann man erkennen, wohin die Entwicklung geht und mit welchem Zeithorizont zu rechnen ist. Aber diese Zahlen sind nur bedingt aussagekräftig – die Bearbeitungsdauer hängt auch mit der Qualität der eingereichten Unterlagen zusammen.

MB: Kandidatinnen und Kandidaten können uns auch in der Bearbeitung der Dossiers unterstützen. Je schneller sie fehlende Dokumente nachreichen, desto schneller kommt auch die Titelerteilung. Es gibt gewisse Fallstricke, über die Gesuchstellende oft stolpern. Besondere Aufmerksamkeit braucht es, wenn Auslandaufenthalte, längere Pausen aufgrund von Mutterschaft oder unbezahltem Urlaub oder Teilzeitarbeit im Spiel sind. Oft sehen wir auch fehlerhafte oder nicht unterschriebene Zeugnisse. Gesuchstellende können sich viel Ärger ersparen, wenn sie das Gesuch von Anfang an richtig zusammenstellen und auch frühzeitig damit beginnen.

SB: Da kommt das e-Logbuch ins Spiel, bei dem es ja auch Probleme gibt.

JG: Ja, das e-Logbuch ist definitiv noch nicht dort, wo wir hinwollen.

MB: Es soll benutzerfreundlicher werden und transparenter für die Gesuchstellenden. Das e-Logbuch soll in Zukunft direktes Feedback geben. Wenn etwa eine Weiterbildungsperiode zu kurz ist oder ein Dokument fehlt, kann der Antrag gar nicht eingereicht werden. Das erleichtert die Arbeit auf beiden Seiten.

SB: Das ist gut, dann wird auch die Anzahl E-Mails reduziert. Heute kommt es nämlich auch vor, dass Mitglieder keine Antwort vom SIWF erhalten.

JG: Wir erhalten sehr viele E-Mails. Manche sind einfach zu beantworten, andere sehr komplex. Leider ist es tatsächlich so, dass in der Vergangenheit E-Mails unbeantwortet blieben. Das kommt mittlerweile nicht mehr vor; wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, und alle E-Mails sollen beantwortet werden. Auch gab es eine Reorganisation. Bisher hatten wir nur eine Person, die E-Mails triagierte. Deshalb dauerte es teilweise einen oder zwei Monate, bis eine Antwort kam. Jetzt ist es so, dass die E-Mails direkt nach dem Eingang triagiert und auf sechs Personen verteilt werden. So konnten wir die Antwortzeit bereits reduzieren.

SB: Was mache ich, wenn ich für meine nächste Stelle den Titel unbedingt brauche und nicht sechs Monate warten kann?

MB: Wir haben eine Möglichkeit geschaffen, damit wir in solchen Fällen eine priorisierte Bearbeitung prüfen können. Dazu gibt es klare Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen. Der Antrag muss bereits seit mehr als drei Monaten hängig sein und zusätzlich eine der drei Bedingungen erfüllen: Entweder möchte die gesuchstellende Person eine Praxis eröffnen bzw. übernehmen, sie möchte ein Fellowship im Ausland antreten, für das sie den Fachtitel braucht, oder sie verliert ohne Fachtitel ihre Stelle. Selbstverständlich müssen Gesuchstellende diese Anfragen entsprechend dokumentieren.

Zu den Personen

Monika Brodmann Maeder ist seit Oktober 2020 Präsidentin des SIWF. Die Fachärztin für Allgemeine innere Medizin absolvierte einen Masterstudiengang in Medical Education (MME), arbeitete über zehn Jahre als Notfall- und Gebirgsmedizinerin für die Rega und bis 2020 als Leitende Ärztin am Universitären Notfallzentrum des Inselspitals Bern.

Jörg Gröbli ist seit 2024 Geschäftsführer des SIWF, davor war er unter anderem im internationalen Beratungsunternehmen Enterprise Development Group Inc. tätig. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert und verfügt über einen Executive Master in Business Administration (EMBA).

Lange Wartezeiten – mit dem SIWF im Gespräch

Wer einen Titelantrag an das SIWF stellt, wartet bis zur Titelerteilung aktuell oft sechs Monate oder mehr. Das ist viel zu lang, die Bearbeitungsdauer muss dringend verkürzt werden. Der vsao ist diesbezüglich mit dem SIWF in einem kontinuierlichen Austausch. Wir erwarten, dass das SIWF alles tut, um den Prozess der Titelerteilung zu verkürzen, aber auch, um die Kommunikation gegen aussen zu verbessern. Dafür nehmen wir alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Einflussnahme wahr. Zuletzt haben wir Anträge an die Ärztekammer der FMH gestellt, die am 5. Juni mit sehr deutlicher Mehrheit gutgeheissen wurden. Das SIWF wird damit verpflichtet, regelmässig über die Fortschritte bei der Titelgesuchsbearbeitung zu berichten und einen klaren und realistischen Plan vorzulegen, wie die Dauer der Gesuchsbearbeitung bis Januar 2026 auf 90 Tage gesenkt werden kann.