- Fokus: selten
Auf der Suche nach verborgenen Schätzen
Gehen Heinz Scheiber und Peter Perren in die Berge, haben sie ein klares Ziel: Sie wollen Bergkristalle finden. Was sie am Strahlen fasziniert, wie sie dabei vorgehen und warum sie nie allein unterwegs sind, hat ein Tag auf dem Furkapass gezeigt.
14.10.2025
Die Sonne ist eben erst aufgegangen, als sich Heinz Scheiber und Peter Perren an diesem Sommermorgen in Altdorf treffen. Das frühe Aufstehen sind die beiden gewohnt: Seit über 30 Jahren sind sie an schönen Tagen oft gemeinsam unterwegs, um in den Bergen nach Kristallen zu suchen. Während Heinz Scheiber seinen Vater schon als Kind beim Strahlen – oder Strahlnen, wie der Urner sagt – begleitete und seit jeher fasziniert ist von den Bergwelten und den funkelnden Steinen, machte Peter Perren seine ersten Erfahrungen erst im Erwachsenenalter. Ein Freund nahm den damals 25-Jährigen mit, dieser hatte jedoch so viel in den Rucksack gepackt, dass die Tour zur Qual wurde. «Ich sagte mir: Das mache ich nie mehr», erzählt er – und doch liess ihn das Gefühl, das er an diesem Tag empfunden hatte, nicht mehr los. Die Spannung, was der Tag wohl bringen würde, die Aufregung bei verdächtigen Stellen und das Glücksgefühl bei einem Fund. «Es hatte mich gepackt.»
Auf dem Furkapass angekommen, holen die beiden ihre Materialien aus dem Kofferraum: Bergschuhe, Strahlstöcke und schwere Rucksäcke mit Handschuhen, Helm, Hammer, Meissel und Beutel mit Luftpolsterfolie für allfällige Fundstücke. Zunächst gehen sie den Wanderweg entlang; am Hang hört man die Murmeltiere pfeifen, und trotz hochsommerlicher Temperaturen im Flachland braucht es eine Jacke. Schon bald verlassen sie den Wanderweg und steigen den Geröllhang empor – immer auf der Suche nach Anzeichen.
Einschnürungen und Quarzbänder
Bergkristalle bilden sich, wenn heisse, kieselsäurereiche Lösungen unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen über Jahrmillionen hinweg langsam abkühlen und kristallisieren. Dieser Prozess findet oft in Hohlräumen, Klüften und Spalten im Gestein statt. Interessant sind deshalb Unregelmässigkeiten verschiedener Art: Strukturen und Einschnürungen im Felsen, andersartige Steine oder Boden, der nicht der Umgebung entspricht, Quarzbänder, die nicht der Gesteinsschichtung folgen, und glatte Flächen in den Quarzbändern. Immer in Sicht- oder zumindest Rufweite erkunden Heinz Scheiber und Peter Perren die Gegend, bücken sich ab und zu, um einen Stein näher zu betrachten, und beginnen hier und dort zu grübeln.
Keine Erfolgsgarantie
In etwa zehn Gebieten sind sie regelmässig unterwegs, ab und zu erkunden sie auch Neuland. Seit Heinz Scheiber pensioniert ist – er war Busfahrer bei der Auto AG Uri – und Peter Perren mit 58 seine langjährige Stelle als Personalleiter am Spital Nidwalden aufgegeben und sich selbstständig gemacht hat, sind beide flexibler geworden und etwas häufiger unterwegs. Fündig werden sie nicht jedes Mal, tragisch finden sie das jedoch nicht. «Bringen wir am Abend keinen Kristall nach Hause, hatten wir zumindest einen schönen Tag in der Natur mit viel Bewegung», sagt Heinz Scheiber. Das grosse Geld wollen sie ohnehin nicht machen. Ab und zu gehen sie auf Börsen, um einzelne Stücke zu verkaufen und damit die Kosten für die Strahlerpatente, die in manchen Gebieten erforderlich sind, zu decken. Die meisten Fundstücke verschenken sie jedoch oder behalten sie für die eigene Sammlung. «Jeder Stein ist besonders und hat seine eigene Geschichte», so Heinz Scheiber.
Grosse Funde werden seltener
Mittlerweile sind die Strahler unterhalb des Muttgletschers angekommen, wo ein kühler Wind weht. Heinz Scheiber hat an einer interessanten Stelle zu graben begonnen und fördert einige Steine mit grossen, glatten Flächen zutage. Peter Perren kommt hinzu, sieht die Fundstücke – unter anderem einen schönen Stein mit einem kleinen Zinken – und sofort ändert sich die Stimmung. Die entspannte Atmosphäre weicht einer vorfreudigen Anspannung, konzentriert arbeiten die beiden nebeneinander. Der grosse Erfolg bleibt aber aus: Schon bald stossen sie auf gefrorenen Boden, der das Weitergraben verunmöglicht.
Nach einer kurzen Mittagspause geht es weiter, über die Geröllhalde und dann dem Hang entlang. Immer wieder inspizieren sie auffällige Felsen, ab und zu beginnen sie, darunter zu graben. Immer wieder sind auch Spuren von anderen Strahlern zu entdecken. In den letzten 100 Jahren sei intensiv nach Bergkristallen gesucht worden, und dadurch die Wahrscheinlichkeit gesunken, auf einfach zugängliche oder besonders grosse Klüfte zu stossen, sagt Peter Perren. Unmöglich ist es aber nicht, denn die Erosion und die schmelzenden Gletscher geben auch immer wieder neues Gestein frei.
Risiko ist immer dabei
Diese Entwicklung kann jedoch auch gefährlich werden: Durch den auftauenden Permafrost sind Steinschläge und Felsstürze häufiger geworden. Ohnehin sind die Gefahren beim Strahlen nicht zu unterschätzen. Beide kennen Personen, die dabei verunglückt sind. «Wir gehen ein Risiko ein», sagt Peter Perren. «Wie hoch dieses ist, haben wir jedoch selbst in der Hand.» Im Gegensatz zu den wenigen Berufsstrahlern in der Schweiz – es sind etwa ein Dutzend –, die auf Funde angewiesen seien und auch an schwierigeren Stellen suchten, hätten sie beide keinen Druck und könnten das Risiko gut kalkulieren, ergänzt Heinz Scheiber. «Und wir sind immer mindestens zu zweit unterwegs.»
Wie wichtig dies sein kann, zeigt eine Situation kurze Zeit später. Peter Perren hat am Hang eine lose, durch Limonit leicht gelb gefärbte schöne Einzelspitze gefunden. Diese muss aus dem Gestein oberhalb der Fundstelle stammen, dort ist eine ähnliche Färbung erkennbar. Der Aufstieg dorthin gestaltet sich jedoch nicht ganz einfach; das Gestein ist eher lose, darunter geht es mehrere Meter in die Tiefe. Und oben zeigt sich: Um bis zum anvisierten Felsen vorzudringen, wäre eine nicht ganz ungefährliche Kletterpartie notwendig. Während es Peter Perren offensichtlich in den Fingern juckt, diese zu wagen, gibt sich Heinz Scheiber zurückhaltender. Und nach kurzer Diskussion ist es entschieden: Sie lassen es bleiben. Kurz darauf beginnen sie den Abstieg – und ein vorbeirennendes, ziemlich wohlgenährtes Murmeltier bildet den perfekten Abschluss eines herrlichen Tages mit sonnigem Wetter, guter Gesellschaft und einem schönen Fund.