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Für eine koordinierte Versorgung von Menschen mit seltenen Krankheiten

Über eine halbe Million Menschen in der Schweiz leiden an einer seltenen Krankheit. Auch wenn ihre Krankheitsbilder oft sehr verschieden sind, haben viele von ihnen ähnliche Probleme, wenn es um die Diagnosestellung oder den Zugang zu medizinischer Versorgung geht. Die Nationale Koordination Seltene Krankheiten (kosek) schafft Abhilfe.

Hirn, Muskeln, Lunge: Seltene Krankheiten beeinträchtigen verschiedenste Körperbereiche und -funktionen. Illustration: kosek
Hirn, Muskeln, Lunge: Seltene Krankheiten beeinträchtigen verschiedenste Körperbereiche und -funktionen. Illustration: kosek

Gemäss internationalen Definitionen ist eine Krankheit dann selten, wenn sie weniger als 5 von 10 000 Personen betrifft. Eine einzelne Krankheit betrifft also wenige Menschen. Da es aber zwischen 6000 und 8000 seltene Krankheiten gibt, ist die Gesamtzahl aller Betroffenen gross. In der Schweiz leben schätzungsweise rund 580 000 Menschen mit einer seltenen Krankheit.

Eine vielschichtige Herausforderung

Seltene Krankheiten sind oft komplexe, lebensbedrohliche oder chronisch invalidisierende Krankheiten. Viele dieser Krankheiten treten bereits bei der Geburt oder im Kindesalter auf – zu 75 Prozent werden sie im Kindesalter diagnostiziert – und sind genetisch bedingt. Für die meisten Betroffenen besteht nach aktuellem Wissensstand keine Chance auf Heilung.

Menschen mit einer seltenen Krankheit begegnen verschiedenen Schwierigkeiten; vor allem hinsichtlich der Diagnosestellung, der Verfügbarkeit relevanter Informationen und des Zugangs zu Facheinrichtungen und ‑personen. Entscheidend sind somit die Zusammenarbeit aller Beteiligten und der Zugang zu Informationen.

Seltene Krankheiten bedeuten auch eine vielschichtige Herausforderung für das Gesundheitssystem: Informationen über seltene Krankheiten sowie medizinische Versorgungs- bzw. Abklärungsstellen sind auch für Ärztinnen und Ärzte zu wenig bekannt. Epidemiologische Daten fehlen, und mit den üblichen Instrumenten (z. B. ICD-10) werden seltene Krankheiten kaum erfasst. Aufgrund der wenigen Fälle pro Krankheit stellt die Vergütung der medizinischen Abklärungen, der Therapien sowie der therapeutischen Begleitmassnahmen oftmals eine Herausforderung dar. Oft bedarf es vertiefter Recherchen zur Krankheit, spezifischer Gutachten und aufwendiger Kostengutspracheverfahren bei den Versicherern, die Versorgern und Betroffenen viel Zeit und Energie abverlangen.

Der Bundesrat hat als Antwort auf diese vielschichtige Problematik 2014 das nationale Konzept «Seltene Krankheiten» verabschiedet. Dies mit dem Ziel, die Versorgung von Betroffenen über den gesamten Krankheitsverlauf hinweg zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgte das nationale Konzept verschiedene Massnahmen, darunter die Schaffung und Anerkennung spezialisierter Versorgungsstrukturen. Diese Massnahme und wenige weitere werden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) weiter begleitet, das nationale Konzept wurde jedoch 2019 abgeschlossen.

Das Versorgungskonzept der kosek

Die Nationale Koordination Seltene Krankheiten (kosek) wurde 2017 als Verein [1] gegründet. Sie begleitet den Aufbau von Versorgungsstrukturen und anerkennt diese mittels eines qualitätssichernden Verfahrens.

Die kosek hat das Ziel, die Versorgung so zu organisieren, dass den Betroffenen verschiedene Strukturen zur Verfügung stehen, je nachdem, ob sie eine Diagnose haben oder nicht. So wird ein möglichst schneller Zugang zum richtigen Angebot mit krankheitsspezifischem Wissen sichergestellt:

  1. Ist die Diagnose einer seltenen Krankheit bekannt, werden Betroffene auf einer krankheitsspezifischen Ebene betreut, namentlich innerhalb von schweizweiten Versorgungsnetzwerken, in Referenzzentren oder assoziierten Zentren. Netzwerke und Referenzzentren sind krankheitsgruppenspezifisch ausgerichtet. Die Gruppierung der seltenen Krankheiten in grössere Krankheitsgruppen gewährt eine bessere Übersicht der Versorgung und Identifikation bestehender Versorgungslücken mit dem Ziel, diese zu schliessen.
  2. Besteht keine Diagnose und kann die Patientin oder der Patient nicht einer bestimmten Krankheit oder Krankheitsgruppe zugeordnet werden (und somit von keiner krankheitsspezifischen Fachstelle betreut werden), werden Abklärungen auf einer krankheitsübergreifenden Ebene gemacht: Zentren für seltene Krankheiten übernehmen diese Rolle. Menschen ohne Diagnose stehen neun Zentren für seltene Krankheiten zur Verfügung [2]. Diese wurden von der kosek anerkannt und decken alle Landesteile und drei Hauptlandessprachen ab. Sie stellen so eine gute Versorgung für die gesamte Schweizer Bevölkerung sicher.

Bis heute hat die kosek insgesamt 35 Referenzzentren für sieben verschiedene Krankheitsgruppen anerkannt. Es sollen in den nächsten Jahren weitere Anerkennungen für neue Krankheitsgruppen folgen. Die so organisierte Versorgung soll eine hohe Qualität aufweisen und möglichst viele Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten mit einer seltenen Krankheit abdecken.

Ausblick

Durch ihre Aktivitäten hat sich die kosek als wichtige Akteurin im Bereich der seltenen Krankheiten etabliert. Sie hat erreicht, dass verschiedene Leistungserbringende auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten und die Betroffenen und ihre Organisationen einbeziehen, um so ihre Versorgung zu verbessern.

Um die Situation von Betroffenen jedoch auch nachhaltig zu verbessern, braucht es eine gesetzliche Grundlage. Diese soll geschaffen werden, um die Finanzierung der Public-Health-Projekte im Bereich der seltenen Krankheiten langfristig zu sichern. Dazu gehören:

  • nationale Projekte einer koordinierten Versorgung in Netzwerken, diagnostischen Zentren und Referenzzentren für seltene Krankheiten (Projekte der kosek)
  • Kodierungsinstrumente zur Erfassung der seltenen Krankheiten
  • eine Informationsplattform (Orphanet)
  • das Schweizer Register für seltene Krankheiten

Das BAG hat dieses Gesetz ausgearbeitet, und die Vernehmlassung dazu soll 2025 starten. Dies ist ein erster wichtiger Schritt für eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Betroffenen.

Den Flyer zu seltenen Krankheiten können Sie hier herunterladen.

Anmerkungen

  1. Mitglieder sind die Patientenorganisationen über ihren Dachverband ProRaris, die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), der Verband der Universitären Medizin Schweiz, die Allianz Kinderspitäler der Schweiz (AllKidS) und ein Verein der nicht universitären Spitäler und Kliniken.
  2. Alle Zentren für seltene Krankheiten auf einen Blick.
  3. Alle Netzwerke auf einen Blick.