- Fokus: selten
Alte Handwerkskunst zeitgenössisch interpretiert
Am Rand der Linthebene führt Manu Mark eine Fachwerkstatt für Leder und Textil. Dort hat er ein vom Aussterben bedrohtes Handwerk modernisiert.
14.10.2025
Die Sonne scheint frühmorgens flach durch die unscheinbare Glastür am Eingang zu Manu Marks Sattlerei und füllt den Raum mit dem ersten, orangen Licht des Tages. In der March, wo der Kanton Schwyz an den Kanton Sankt Gallen grenzt, sich die Linth aus ihrem Korsett des Kanals in den Obersee befreit und die Autobahn von Zürich Richtung Chur die Linthebene durchschneidet, liegt die Werkstatt des 34-jährigen Sattlermeisters. Nähmaschinen unterschiedlicher Grösse reihen sich der Wand entlang auf, im Regal liegen Nieten, Ösen und Hunderte Quadratmeter Leder und Stoffe bereit. Unzählige Garnspulen dekorieren die Rückwand der Werkstatt. «Die manuelle Arbeit ist das, was mir an diesem Beruf so gefällt», streicht Manu Mark heraus, besonders das Nähen von hochwertigem Leder sei eine seiner Lieblingsarbeitsschritte, aber auch das Arbeiten mit verschiedenen Materialien wie Leder, Stoffen, Kunststoff, Holz und Metall.
Ein Teamerfolg
Angefangen hat Manu Mark 2017 als Einmannbetrieb. Als frischgebackener Meister seines Fachs hatte er eigene Ideen, die er umsetzen wollte, wusste neue Wege, die er gehen wollte, störte sich an der «Das haben wir schon immer so gemacht»-Mentalität in Teilen der Branche. Aus seiner ersten Werkstatt ist er einem Einsiedlerkrebs gleich schnell entwachsen, heute ist die «Mark Factory» in modernen, grosszügig bemessenen Räumlichkeiten in Schübelbachs Gewerbegebiet beheimatet. Seine mittlerweile drei Mitarbeitenden – ein Mann und zwei Frauen, alle höchstens um die dreissig Jahre alt – bilden das Rückgrat seines Betriebs. Und seines Erfolgs, wie er anfügt: «Das Wichtigste ist das Team.» Habe ihm anfangs manchmal jemand gefehlt, den er hätte um Rat fragen können, könne er heute auf Fachleute um sich herum zählen, die sich gegenseitig ergänzten und inspirierten.
Spärlicher Nachwuchs
Dass er Arbeit für vier Fachleute hat und die offenen Stellen mit qualifiziertem Personal aus der Region besetzen konnte, sei nicht selbstverständlich. Die Arbeit als Fachmann/-frau Leder und Textil, Fachrichtung Fahrzeug und Technik, wie die Berufsbezeichnung korrekt lautet, bei der manchmal die Hände dreckig werden, die trotzdem sauber und genau ausgeführt werden muss und deren Lohn im Vergleich zu anderen Berufen wenig attraktiv erscheint, sei bei den Jungen nicht sehr beliebt. Darum hat Manu Mark für seine Mitarbeitenden moderne Arbeitsbedingungen mit Gleitzeit, hoher Eigenverantwortung, viel Gestaltungsspielraum und einer modernen Infrastruktur geschaffen. Nur zufriedene Mitarbeitende würden qualitative Höchstleistungen erbringen, ist er überzeugt. Und auf qualitative Exzellenz setzt er konsequent: ausschliesslich hochwertige Materialien, handwerklich einwandfreie Verarbeitung und bei jedem Auftrag ein buchstäblich auf die Kundin oder den Kunden zugeschnittenes Produkt; sei dies ein Neubezug des Oldtimer-Interieurs, des Motorradsattels oder eines antiken Möbels, die Herstellung einer Ledertasche oder eines Schlüsselanhängers.
3-D-Drucker fertigt Ersatzteile
Flink fädelt Manu Mark einen weinroten Faden in die Nähmaschine ein, näht mit ruhiger Hand und konzentriertem Blick eine schnurgerade Naht ab. «Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass ich den gesamten Entstehungsprozess eines Produkts selbst ausführe und miterlebe», bemerkt Manu Mark, von der Auswahl der Materialien und der Fadenfarbe, dem Legen der Schnittmuster, dem Zuschneiden, Nähen, Kapitonieren, Stanzen, Nieten, Polstern, Überziehen bis zur Übergabe. Er schätze den direkten Kundenkontakt so sehr, dass er bis heute bewusst auf eine Büroangestellte verzichte. Das Telefon klingelt. «Da finden wir bestimmt etwas für dich», versichert er einem Kunden vor dem Auflegen. Besonders bei Oldtimern, deren textile Restaurierung ihn jedes Mal von Neuem begeistere, sei immer wieder Improvisationstalent gefragt. Nicht nur fehlten manchmal Informationen über den anzustrebenden Originalzustand oder dürften nur bestimmte Materialien und handwerkliche Techniken verwendet werden, auch Ersatz für verschlissene Teile, beispielsweise am Rahmen der Sitze, seien zuweilen nicht mehr erhältlich. Da behilft sich der gebürtige Schübelbachner mit moderner Technik, wirft seinen 3-D-Drucker an und fertigt einfach selbst, was er braucht.
Ein aussterbendes Handwerk?
Um die 200 Sattlereibetriebe gibt es noch in der Schweiz, führen ein Nischendasein und sind, wie viele traditionelle Handwerksbetriebe, zunehmend vom Aussterben bedroht. Dass es auch anders geht, demonstriert Manu Mark mit seinem Betrieb. Er versteht es, das Beste der Vergangenheit so mit dem Möglichen der Gegenwart zu verbinden, dass Neues entsteht, das der eigenen Herkunft alle Ehre erweist, ohne anachronistisch zu wirken. Die Handarbeit des Sattlerhandwerks wird zwar zunehmend von modernen Werkzeugen und Maschinen unterstützt oder sogar ersetzt, doch kann man sich in der «Mark Factory» des Eindrucks nicht erwehren, dass von Manu Mark und seinem Team die Essenz dieses jahrhundertealten Handwerks trotz – und dank – aller modernen Einflüsse liebevoll bewahrt und tagtäglich gepflegt wird.