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Zwischen Verbandsgeschäften und Protest

Vormittags Sitzungszimmer, nachmittags Bundesplatz: Die Herbstsitzung des vsao-Zentralvorstands führte von Strategiediskussionen zu flammenden Reden, von Budgetposten zu Transparenten – und von angenehmer Wärme in klirrende Kälte.

Auch der vsao war an der Kundgebung des Gesundheitspersonals, das auf dem Bundesplatz für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierte, präsent. Bild: Severin Nowacki
Auch der vsao war an der Kundgebung des Gesundheitspersonals, das auf dem Bundesplatz für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierte, präsent. Bild: Severin Nowacki

«Das schweizerische Gesundheitswesen befindet sich am Anschlag; man könnte auch sagen: Der Patient hat Kammerflimmern!» So begann vsao-Präsident Severin Baerlocher am Samstag, 22. November – am Nachmittag der vsao-Zentralvorstandssitzung – seine Rede. Seinen Worten lauschten jedoch nicht nur Mitglieder des Zentralvorstands (ZV), sondern über 5000 Personen aus der Ärzteschaft, Pflege und anderen Bereichen. Sie alle waren trotz eisiger Temperaturen an diesem Nachmittag mit Fahnen und beschrifteten Papptafeln zusammengekommen, um vor dem Bundeshaus für eine sichere Gesundheitsversorgung und bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.

Personen aus verschiedensten Bereichen des Gesundheitswesens erzählten aus ihrem Alltag: von enormer Arbeitsbelastung, unzähligen Überstunden, zu wenig Zeit für Menschlichkeit, niedrigen Löhnen, fehlender Wertschätzung, Erschöpfung und von sexuellen Belästigungen. Ebenfalls für den vsao auf der Bühne stand Natacha Vincent, Präsidentin der vsao-Sektion Neuenburg (AMINE), und brachte auf den Punkt, was viele hergetrieben hatte: «Wir möchten den Beruf ausüben, für den wir ausgebildet wurden: einen Beruf, in dem wir respektiert werden und in dem wir kranke Menschen pflegen.»

vsao-Präsident Severin Baerlocher sprach zu den Demonstrierenden und brachte die Forderungen des vsao vor. Bild: Severin Nowacki

Über 5000 Menschen waren trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt auf den Bundesplatz gekommen … Bild: Severin Nowacki

… wo sie für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierten. Bild: Severin Nowacki

Appell an Politik und Arbeitgebende

Die Demonstrierenden riefen den Bundesrat und das Parlament dazu auf, das Problem ernst zu nehmen und endlich zu handeln – unter anderem mit der Verbesserung des bundesrätlichen Vorschlags für die zweite Umsetzungsetappe der Pflegeinitiative. Diese sollte ursprünglich in der Wintersession ins Parlament kommen, wurde aber vertagt. Ebenfalls appellierten die Teilnehmenden an kantonale Behörden und Arbeitgebende, den Spardruck nicht auf dem Rücken der Angestellten auszutragen und den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel nicht mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu verschärfen. In diesem Rahmen brachte Severin Baerlocher auch die Forderungen an, für die sich der vsao seit Langem einsetzt: die Einhaltung des Arbeitsgesetzes, die Ausbildung von genügend Nachwuchs und die Vereinbarkeit. «Nur wenn neben unserer Arbeit Zeit für ein Leben bleibt, um die stark beanspruchten Batterien durch Freizeit oder gemeinsam mit der Familie wieder aufzuladen, können wir dafür sorgen, dass wir bis zur Pensionierung in unserem schönen und herausfordernden Beruf verbleiben können.»

Unveränderte Mitgliederbeiträge trotz Rechnungsminus

Bei etwas wärmeren Temperaturen, aber nicht minder engagiert, hatte Severin Baerlocher – gemeinsam mit dem vor Kurzem zum vsao-Vizepräsidenten gewählten Richard Mansky – bereits am Vormittag durch die ZV-Sitzung geführt. Ein wichtiges Thema war das Budget fürs kommende Jahr. Mit einem geplanten Verlust von 58 750 Franken wird der vsao auch 2026 rote Zahlen schreiben, das Minus ist im Vergleich zu den Vorjahren aber deutlich kleiner geworden. Dies liege an den zunehmenden Mitgliederbeiträgen sowie an Einsparungen; unter anderem durch den Umzug des Zentralsekretariats in günstigere Räume und durch die Umstellung auf einen elektronischen Rechnungsversand, erklärte vsao-Geschäftsführer Simon Stettler. Zudem entlasteten die an der vorgängigen ZV-Sitzung beschlossenen Fondsauflösungen das Budget. «Das Minus bleibt aber strukturell», sagte Simon Stettler und betonte, dass der Budgetstabilisierungsprozess noch nicht abgeschlossen sei. Als Massnahme, um die Einnahmen zu erhöhen, stand wie schon in den letzten Jahren eine Erhöhung des Mitgliederbeitrags im Raum. Simon Stettler empfahl, diese Frage in den bevorstehenden Strategieprozess einzubinden. Der vsao sei finanziell nach wie vor gesund, und im kommenden Jahr stehe die Ausarbeitung der Verbandsstrategie 2027–2030 an. Die Delegierten genehmigten sowohl das Budget als auch die Beibehaltung der Mitgliederbeiträge ohne Gegenstimme.

Ebenfalls einstimmig und mit Applaus wählten die Delegierten Marc Eich (siehe auch unten) in den Geschäftsausschuss (GA) des vsao.

Fragen zum Strategieprozess

Für etwas mehr Diskussionen sorgte der anstehende Strategieprozess 2027-2030. Ist 2026 der richtige Moment, um einen Strategieprozess zu starten? Wäre es besser, noch ein, zwei Jahre zuzuwarten, bis aktuelle Baustellen nicht mehr so viele Ressourcen binden? Wie lange soll der Prozess dauern? Braucht es dafür externe Unterstützung? Und wenn ja, ab wann? Schliesslich einigten sich die Delegierten darauf, den Strategieprozess auf zwei Jahre auszudehnen, 2026 mit einer Kerngruppe eine interne Analyse des aktuellen Zustands zu starten und erst in einem zweiten Schritt über den Beizug externer Hilfe zu entscheiden.

Schon fast ein Fixpunkt auf der Traktandenliste des ZV, der zuverlässig für Fragen und Diskussionen sorgt, ist das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF). Severin Baerlocher und Richard Mansky gaben einen kurzen Überblick über die neuesten Ereignisse (siehe auch das ausführliche Interview zum SIWF), beantworteten Fragen und riefen die Sektionen dazu auf, sich für die Mitglieder einzusetzen, die unter dem Titelstau beim SIWF litten. «Verhandelt mit den kantonalen Ärztegesellschaften und Gesundheitsbehörden, versucht, gemeinsam mit den Spitälern Übergangslösungen zu finden, und prüft, ob diese auch wirklich umgesetzt werden», so Severin Baerlocher.

Ein Plus und ein aktualisiertes Praxis-Paket bei mediservice

Eine kurze Sache war auch dieses Jahr die Delegiertenversammlung von mediservice vsao-asmac. Das Budget 2026, das einen Überschuss von 75 000 Franken vorsieht, genehmigten die Delegierten einstimmig. Weiter gab Marc Schällebaum, Geschäftsführer von mediservice, einen kurzen Einblick in das laufende Jahr: Neben der Beteiligung an verschiedenen Kongressen und Seminaren hat mediservice auch das Praxis-Paket, ein hilfreiches Dokument für den Einstieg in die Praxis, überarbeitet und wird die aktuelle Version noch in diesem Jahr interessierten Mitgliedern zur Verfügung stellen. Und schliesslich informierte Regula Grünwald, Chefredaktorin des vsao Journals, über die Entwicklung des Onlinemagazins: Mit rund 5000 Besucherinnen und Besuchern pro Ausgabe, um die 12 500 Seitenaufrufen und einer durchschnittlichen Sitzungsdauer von viereinhalb Minuten sei das Journal nach einem Jahr als reine Online-Publikation auf gutem Weg. Dennoch sei die Unterstützung durch die Sektionen weiterhin sehr willkommen, um die Reichweite zu erhöhen.

Neu im Geschäftsausschuss

Marc Eich ist Assistenzarzt (Anästhesie) am Inselspital Bern. Er war unter anderem fünf Jahre Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des vsao Zentralschweiz und als swimsa-Vertreter bereits einmal Mitglied des GA. Seit über fünf Jahren ist er zudem Ärztekammerdelegierter des vsao.