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GAV-Verhandlungen: Ziele priorisieren und Geduld haben

Das Spital Wallis und die Walliser vsao-Sektion (ASMAVal) haben im Juni einen neuen Gesamtarbeitsvertrag unterzeichnet. Wie ist die ASMAVal vorgegangen? Wie ist es ihr gelungen, ihre wichtigste Forderung durchzusetzen? Und welche Erkenntnisse können andere Sektionen aus ihrer Erfahrung gewinnen?

Das Ergebnis langer Verhandlungen: Die ASMAVal und das Spital Wallis anlässlich der Unterzeichnung des neuen GAVs. Bild: Spital Wallis
Das Ergebnis langer Verhandlungen: Die ASMAVal und das Spital Wallis anlässlich der Unterzeichnung des neuen GAVs. Bild: Spital Wallis

Gesamtarbeitsverträge (GAV) zwischen Arbeitgebenden bzw. deren Organisationen und Arbeitnehmerverbänden sind wichtig. Denn sie legen Mindestanforderungen fest und tragen so zu fairen und zeitgemässen Arbeitsbedingungen bei. Da es für die Ärzteschaft derzeit nur regionale GAV gibt, sind die einzelnen vsao-Sektionen immer mal wieder mit GAV-Verhandlungen konfrontiert. Die Sektion Wallis (ASMAVal) hat kürzlich vierjährige Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen. Jeanne Picart, Co-Präsidentin der ASMAVal, teilt ihre Erfahrungen.

Jeanne Picart, die ASMAVal und das Spital Wallis haben im Juni 2025 einen neuen GAV unterzeichnet. Wie kam es zu diesen Verhandlungen?

Die Verhandlungen wurden nach der Coronapandemie aufgenommen. Die Belastung der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte war zu hoch, was sich auch in den zunehmenden Abwesenheiten und Burn-out-Fällen widerspiegelte. Im Sommer 2021 führte die ASMAVal eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durch, die zeigte, dass das Arbeitsgesetz systematisch verletzt wird. Im bisherigen GAV war eine Arbeitszeit von 50 Stunden pro Woche vorgesehen, was Überschreitungen der gesetzlichen Höchstarbeitszeit unvermeidbar gemacht hatte. Auch die Bürokratie sollte reduziert werden.

Wir waren der Meinung, dass wir nicht nur das Spital, sondern auch den Kanton darauf aufmerksam machen sollten. Wir haben daher um ein Treffen mit Staatsrat Mathias Reynard gebeten, dem Vorsteher des Departements für Gesundheit, Soziales und Kultur.

Im Nachhinein haben wir vernommen, dass der Kanton das Spital angewiesen hat, mit uns Verhandlungen aufzunehmen. Die Attraktivität des Kantons Wallis für junge Ärztinnen und Ärzte stand auf dem Spiel. Daraufhin hat uns das Spital Wallis zu einem ersten Treffen im Dezember 2021 eingeladen. Da haben die Verhandlungen erst richtig begonnen, also vor ziemlich genau vier Jahren.

Wie hat sich Ihr Verband auf diese Verhandlungen vorbereitet?

Der Vorstand der ASMAVal hat eine Liste mit seinen Forderungen aufgestellt und diese priorisiert. Die fünf Hauptthemen waren:

  • Die Einhaltung des Arbeitsgesetzes und des GAVs: Arbeitszeit von 42+4 Stunden = 46 Stunden
  • Die Weiter- und Fortbildung
  • Der Schutz der schwangeren Frauen
  • Die Abend-, Nacht- und Wochenenddienste
  • Die Förderung der Teilzeitarbeit

Nach der Veröffentlichung des SECO-Merkblatts konnten wir zudem eine Klarstellung betreffend die Erfassung der am Telefon verbrachten Zeit während des Pikettdienstes in den GAV aufnehmen.

Für die Forderung nach 42+4 Stunden hat sich die ASMAVal auf die Dokumente abgestützt, die der vsao zur Förderung der 42+4-Stunden-Woche ausgearbeitet hatte. Zudem hat sie die GAV anderer Sektionen, insbesondere aus der Westschweiz, verglichen, um den Schutz der schwangeren Frauen und die Aufwertung der Abend-, Nacht- und Wochenenddienste sicherzustellen. In diesen beiden Bereichen waren wir schlechter gestellt als die anderen Sektionen. Wir mussten also die Gründe dafür eruieren und gemeinsam mit dem Spital Wallis an einer Lösung arbeiten.

Wie hat die ASMAVal ihre Prioritäten festgelegt und die Punkte definiert, bei denen sie bereit war, Kompromisse einzugehen?

Das Ziel, das Arbeitsgesetz einzuhalten, war der Auslöser für die Verhandlungen. Deshalb hat die ASMAVal wiederholt betont, dass die 42+4-Stunden-Woche ihre oberste Priorität ist, da die jungen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr bereit sind, ausserhalb des vom Arbeitsgesetz definierten Rahmens zu arbeiten. Diese Reduktion der Arbeitszeit konnte man auch durch eine Reorganisation der Abteilungen erreichen, also durch Bürokratieabbau, und nicht nur durch eine Erhöhung der Stellenprozente.

Ehrlich gesagt wussten wir zu Beginn der Verhandlungen nicht, in welchen Punkten wir bereit waren, Kompromisse einzugehen. Wir entschieden dies im Laufe der Verhandlungsrunden, wenn wir bei einer Forderung nachgeben mussten, um etwas zu erreichen, das uns wichtiger erschien. So mussten wir zum Beispiel die Verbesserungen bei der Kompensation der Abend-, Nacht- und Wochenenddienste, die für die Ärztinnen und Ärzte im Notfalldienst eine Priorität waren, aufgeben. Das gehört bei Verhandlungen dazu.

War Ihre Position von Anfang an klar, oder haben Sie diese im Laufe der Verhandlungen angepasst?

Bei der Frage der 42+4-Stunden-Woche hat die ASMAVal während der gesamten Verhandlungsphase nicht nachgegeben.

Wir mussten hingegen Zugeständnisse machen, um diesbezüglich einen Durchbruch zu erzielen, da der Kanton vom Spital einen Bericht zu den Finanzen verlangte. Wir waren in einem angespannten finanziellen Umfeld. Es war deshalb unmöglich, auf 42+4 Stunden umzustellen, ohne anderswo Einsparungen zu realisieren.
Die ASMAVal hat daraufhin zugestimmt, den neuen Dienstplan schrittweise über vier Jahre von 2025 bis Ende 2028 einzuführen, und vorgeschlagen, den Teuerungsausgleich während der Umstellung auf 42+4 Stunden auszusetzen.

Kann eine Sektion solche Verhandlungen allein führen? Und was hat Ihnen dabei geholfen?

Meiner Meinung nach muss eine Sektion solche Verhandlungen allein führen, da jeder Kanton seine Besonderheiten aufweist. Der Kontakt mit der Direktion des Spitals Wallis war aufgrund der Coronapandemie bereits eng, da wir in diesem Kontext einen regelmässigen Austausch pflegen konnten. Der persönliche Kontakt ist wichtig.

Was der ASMAVal auch geholfen hat, waren die Massnahmen, die der vsao gleichzeitig auf nationaler Ebene zur Förderung der 42+4-Stunden-Woche eingeleitet hat. Wir konnten also auf diese Initiative aufbauen, Beispiele aufzeigen und argumentieren, dass letztlich in allen Kantonen früher oder später ein solches Modell eingeführt werden wird.

Valentine Gétaz Kunz, die als Anwältin die ASMAVal berät, steht auch in Kontakt mit den Juristinnen und Juristen der anderen Sektionen und hat sich mit diesen über bestimmte Fragen ausgetauscht, um anschliessend den entsprechenden Vorschlägen beim Spital Wallis zum Durchbruch zu verhelfen.

Was macht Sie besonders stolz?

Dass wir bei der 42+4-Stunden-Woche nicht nachgegeben haben!

Welche Verbesserungen bringt der neue GAV?

Die neuen Dienstpläne mit 42+4 Stunden, in denen die Weiterbildungszeit klar ausgewiesen wird, eine Klärung bei den Pikettdiensten und der Schutz der schwangeren Frauen.

Früher bestand für eine schwangere Ärztin, die ihr Kind nach Ablauf ihres befristeten Vertrags auf die Welt brachte, die Gefahr, ohne Mutterschaftsentschädigung dazustehen. Der neue Art. 28 Abs. 3 des GAVs sieht vor, dass der Vertrag in diesem Fall bis spätestens zum Ende des 16-wöchigen Mutterschaftsurlaubs verlängert wird, sodass zumindest ein bezahlter Mutterschaftsurlaub garantiert ist.

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?

Das ist eine schwierige Frage, da man im Nachhinein immer etwas anders machen könnte. Wir haben uns jeweils vor den offiziellen Sitzungen getroffen, aber es war schwierig, sich vorzubereiten, da die jeweiligen Traktandenlisten häufig unklar waren. Manchmal diskutierten wir von einem Treffen zum nächsten über dieselben Themen. Und innerhalb von vier Jahren haben wir verschiedene Wechsel im Vorstand und im Verhandlungsteam gehabt.

Glücklicherweise hat unsere Anwältin die Verhandlungen vom Anfang bis zum Ende begleitet und damit sichergestellt, dass wir auf einer Linie blieben.

Was raten Sie anderen Sektionen für zukünftige GAV-Verhandlungen?

Von Anfang an mit einer kurzen Liste von Prioritäten arbeiten, um sich nicht zu verzetteln. Denn mit einem GAV kann eine sehr grosse Anzahl Themen angepackt werden! Und Geduld haben. Man muss den Kurs halten. Die Einführung der 42+4-Stunden-Woche war die oberste Priorität. Nun geht es an die Umsetzung, die zum Ziel hat, die Weiterbildung sicherzustellen und die Bürokratie abzubauen. Die eigentliche Arbeit beginnt also erst jetzt …

Zur Person

Jeanne Picart ist Notärztin am Spital Wallis. Seit fünf Jahren engagiert sie sich für die ASMAVal und war drei Jahre lang Co-Präsidentin. Sie war daher während der gesamten Dauer an den Verhandlungen beteiligt, begleitet oder vertreten durch die nachfolgenden Co-Präsidentinnen.