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Vaterschaftsurlaub bei Geburt vor Stellenantritt?

Vor drei Monaten habe ich meine Anstellung als Assistenzarzt beendet und nun ab nächstem Monat einen Arbeitsvertrag als Oberarzt. Zwischen den beiden Anstellungen habe ich Urlaub gemacht, ohne mich bei der Arbeitslosenversicherung anzumelden. Da ich soeben Vater geworden bin, möchte ich wissen, ob mir mein neuer Arbeitgeber einen Vaterschaftsurlaub gewähren muss.

 

Art. 329g OR sieht einen Urlaub von zwei Wochen für den rechtlichen Vater des Kindes oder für die Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes rechtlich der andere Elternteil ist, vor. Dieser Urlaub muss innert sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden, der Bezug kann wochen- oder tageweise erfolgen. Der Arbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann einen längeren Urlaub vorsehen.
Das Erwerbsersatzgesetz (EOG) sieht für die bezogenen Urlaubstage eine Entschädigung in Form von Taggeldern vor, wobei der Anspruch auf höchstens 14 Taggelder beschränkt ist. Das Taggeld beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor Beginn dieses Anspruchs, jedoch höchstens 220 Franken pro Tag. Da Art. 329g OR keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung während des Urlaubs des anderen Elternteils vorsieht, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Taggelder zu ergänzen. Der Arbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann jedoch eine solche Lohnfortzahlung vorsehen.

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung

Um Anspruch auf diese Entschädigung zu haben, muss der andere Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer, selbstständig erwerbend oder arbeitslos sein und bei Letzterem bis zur Geburt bereits Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen haben. Da Sie zum Zeitpunkt der Geburt Ihres Kindes weder Arbeitnehmer noch selbstständig noch bei der Arbeitslosenversicherung angemeldet waren, haben Sie keinen Anspruch auf die vom EOG vorgesehene Entschädigung des anderen Elternteils.
Art. 329g OR gibt nicht klar an, ob Sie als Vater in einem solchen Fall trotzdem Anspruch auf einen zweiwöchigen Urlaub haben, den Sie innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt Ihres Kindes beziehen müssen (und dann nicht entschädigt wird). Meines Wissens gibt es dazu bis heute keine Rechtsprechung. Die gängige Rechtslehre scheint dies aber abzulehnen. Trotzdem empfehle ich Ihnen, gegebenenfalls bei Ihrem neuen Arbeitgeber innert sechs Monaten nach der Geburt einen unbezahlten Vaterschaftsurlaub zu beantragen.

Schliesslich ist Folgendes festzuhalten: Wären Sie zum Zeitpunkt der Geburt Ihres Kindes noch bei Ihrem früheren Arbeitgeber unter Vertrag gewesen, hätten Sie Anspruch auf die vom EOG vorgesehene Entschädigung des andern Elternteils gehabt. Hätten Sie nicht den gesamten zweiwöchigen Urlaub vor Ende Ihres Arbeitsvertrages bezogen, hätten Ihnen die restlichen Taggelder während Ihrer neuen Anstellung ausbezahlt werden können – sofern Ihr neuer Arbeitgeber bereit gewesen wäre, Ihnen auch die restlichen Urlaubstage zu gewähren. Einen rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf den Resturlaub beim neuen Arbeitgeber scheint die gängige Rechtslehre jedoch zu verneinen. Deshalb rate ich dem Arbeitnehmer, der in den Genuss des gesamten Urlaubs kommen will, seinen Anspruch vor dem Arbeitgeberwechsel geltend zu machen.