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Konkurrenzverbot in Ärzteverträgen: Grenzen und gute Praxis

In meinem neuen Arbeitsvertrag gibt es eine Klausel, die mir untersagt, in den drei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und innerhalb eines Radius von zehn Kilometern eine eigene Praxis zu eröffnen. Inwiefern ist dies zulässig?

 

Immer mehr Arbeitsverträge in Spitälern und Privatpraxen enthalten Klauseln zum Konkurrenzverbot, die es Ärztinnen und Ärzten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagen, eine eigene Praxis zu eröffnen oder für andere im gleichen geografischen Bereich tätig zu werden.

Gesetzlicher Rahmen

Gemäss Art. 340 ff. OR sind solche Klauseln nur gültig, wenn sie insbesondere

  • schriftlich vereinbart wurden,
  • auf dem Zugang zu Kundschaft oder Geschäftsgeheimnissen beruhen und
  • in Bezug auf Dauer (maximal drei Jahre), räumliche und sachliche Reichweite verhältnismässig sind.

Bundesgerichtliche Rechtsprechung

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eindeutig: Wenn die Kundschaft wegen der persönlichen Fähigkeiten der Ärztin oder des Arztes und aufgrund einer Vertrauensbeziehung gebunden ist, ist das Konkurrenzverbot ungültig. In BGE 38 III 67 hat das Bundesgericht die Anwendbarkeit einer Klausel ausgeschlossen, weil die Patientenbindung auf den persönlichen Kompetenzen des Leistungserbringers beruht hat. Im konkreten Fall ging es um einen Zahnarzt – ein Prinzip, das analog auch für Ärztinnen und Ärzte gilt.

Lehre: technisches Wissen vs. persönliche Qualitäten

Die Lehre hat diesen Ansatz begrüsst: Nach Aubert [1] und anderen Autoren ist ein Konkurrenzverbot nur dann gerechtfertigt, wenn der Verlust der Kundschaft auf blossem technischem Wissen beruht. Ist die Treue der Patientinnen und Patienten jedoch auf die persönlichen Qualitäten der Ärztin oder des Arztes und die Vertrauensbeziehung zurückzuführen, ist das Verbot nichtig. Dieser «ausgewogene» Ansatz schützt sowohl die Interessen der Institution als auch die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte und die freie Arztwahl der Patientinnen und Patienten.

Zu weit gehende Klauseln (z. B. ein zweijähriges Verbot mit einem Radius von zehn Kilometern) sind daher häufig nichtig oder reduzierbar. Zudem verstärkt die freie Arztwahl das Ungültigwerden solcher Beschränkungen.

Typisches Beispiel einer Klausel

Ein Arbeitsvertrag kann beispielsweise folgende Bestimmung enthalten:

«Für die gesamte Dauer des Vertrages und für zwei Jahre nach dessen Beendigung verpflichtet sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, keine konkurrierende oder ähnliche Tätigkeit innerhalb eines Radius von zehn Kilometern vom Arbeitsort auszuüben. Im Falle eines Verstosses hat die Einrichtung Anspruch auf eine Entschädigung bis zur Höhe des Jahresbruttolohns.»

Kritische Analyse

Eine solche Klausel weist mehrere problematische Punkte auf:

  • Die Dauer von zwei Jahren liegt am gesetzlichen Maximum und ist oft übermässig.
  • Der Radius von zehn Kilometern kann in städtischen Gebieten unverhältnismässig sein.
  • Der unklare Begriff «ähnliche Tätigkeit» birgt das Risiko der Unbestimmtheit.
  • Die Konventionalstrafe in Höhe eines Jahreslohns ist tendenziell überhöht und damit reduzierbar.

Insgesamt stuft die Rechtsprechung Klauseln dieser Art häufig als nichtig oder übermässig ein, da die Arzt-Patienten-Beziehung im Wesentlichen auf Vertrauen beruht und nicht auf übertragbaren Geschäftsgeheimnissen.

Gute Praxis beim Austritt

Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist der aktive Kontakt mit Patientinnen und Patienten im Einzelnen (Kundenfang = Verstoss gegen die Treuepflicht gemäss Art. 321a OR) zu vermeiden, während es zulässig ist, allgemein und nach Vertragsende zu informieren (z. B. Ankündigung in Zeitungen, auf der Website) sowie Fragen der Patientinnen und Patienten transparent und sachlich zu beantworten.

Schlussfolgerung

Das schweizerische Recht schützt die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte und die freie Arztwahl der Patientinnen und Patienten. Vor der Unterzeichnung sollte daher stets die Verhältnismässigkeit einer Konkurrenzverbotsklausel geprüft werden. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, den Rechtsdienst der zuständigen vsao-Sektion zu kontaktieren.

Literatur

  1. Gabriel Aubert, in: Commentaire Romand – Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 9 zu Art. 340 OR.