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Swissmedic in der Pandemie: die Balance zwischen schnell und sicher

Während der Covid-19-Pandemie traf der Wunsch, Impfstoffe und Arzneimittel rasch zuzulassen, auf die Anforderungen des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic, nur sichere, wirksame und qualitativ hochstehende Produkte verfügbar zu machen. Wie ist dieser Spagat gelungen, und welche Lehren lassen sich für künftige Krisen daraus ziehen?

Probevorbereitung für die behördliche Chargenfreigabe der Impfstoffe im Swissmedic-Labor OMCL. Bild: Swissmedic
Probevorbereitung für die behördliche Chargenfreigabe der Impfstoffe im Swissmedic-Labor OMCL. Bild: Swissmedic

Die Strassen leergefegt, die Pärke abgesperrt und Bundesrat Bersets charakteristische Worte «Bleiben Sie zu Hause!» in den Ohren – das sind prägende Erinnerungen an die Anfangszeit der Coronapandemie. Für Swissmedic bedeutete die Pandemie einen Balanceakt: Einerseits waren die Erwartungen aus Bevölkerung, Politik, Wirtschaft, Gesundheitswesen und Medien, die Heilmittel schnell zuzulassen, immens. Andererseits musste das Schweizerische Heilmittelinstitut die Sicherheit, die Wirksamkeit und die hohe Qualität der Präparate jederzeit gewährleisten. Dank seiner Unabhängigkeit und wissenschaftlichen Eigenständigkeit konnte Swissmedic die Prozesse und Anforderungen für Bewilligungs- und Zulassungsverfahren unverzüglich anpassen.

Der regelmässige Austausch mit allen Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene ermöglichte eine effiziente Koordination des Vorgehens und global abgestimmte wissenschaftliche und regulatorische Anforderungen an die Impfstoffe.

Die Heilmittelbehörde verfolgte vier Hauptziele:

  • Zulassung qualitativ hochstehender, sicherer und wirksamer Covid-19-Impfstoffe und -Arzneimittel für den Schweizer Markt;
  • Priorisierung der pandemierelevanten Aufgaben: die rasche Bewilligung von Herstellstandorten und klinischen Versuchen, die rollende Begutachtung der Zulassungsgesuche, die Bereitstellung von Informationen über Arzneimittel, Hygienemasken oder Covid-Tests und die Überwachung der Heilmittel auf dem Schweizer Markt;
  • proaktive Kommunikation und Information;
  • Garantieren des normalen Tagesgeschäfts.

Rolling Submission – Conditio sine qua non

Die rollende Begutachtung war unter den kritischen Umständen ein entscheidender Faktor für ein effizientes Vorgehen. Eine Gesuchstellerin musste Swissmedic mit dem Zulassungsgesuch kein vollständiges Dossier einreichen, sondern konnte laufend Daten und Erkenntnisse aus klinischen Studien übermitteln, sobald sie verfügbar waren. So konnte Swissmedic die Datenpakete fortlaufend evaluieren und sich bereits vor Abschluss der pivotalen klinischen Studien ein gutes Bild zum Nutzen-Risiko-Profil des Arzneimittels machen.

Zudem trat Swissmedic frühzeitig mit Firmen und Forschenden in Kontakt und trug mittels Scientific Advice Meetings und regulatorischer Beratung entscheidend zur Beschleunigung der Gesuchseinreichung und damit der Verfügbarkeit der Impfstoffe bei.

Im Dezember 2020 erteilte Swissmedic als eine der drei ersten Behörden weltweit einem Covid-Impfstoff die Zulassung – eine enorme Herausforderung, da spezifische Details aus wissenschaftlicher und regulatorischer Sicht neu waren. So unterscheidet sich z. B. die Technologie bei mRNA-Impfstoffen von derjenigen bei klassischen Impfstoffen. Die initialen Zulassungen basierten auf Phase-III-Studien mit zehntausenden Probanden; es zeigte sich eine Wirksamkeit von etwa 95 Prozent gegen eine symptomatische Covid-19-Erkrankung, was bis dato mit keinem anderen Impfstoff beobachtet worden war. Um auch die nötige Produktqualität zu erreichen, mussten die Firmen zudem technische Schwierigkeiten überwinden.

Nach diesen Erfahrungen hat Swissmedic dauerhaft ein Innovationsbüro eingerichtet. Start-ups, Forschungsinstitute oder KMU erhalten frühzeitig Beratung und Unterstützung bei wissenschaftlichen und regulatorischen Fragen. Damit soll die Entwicklung innovativer Arzneimittel (zurzeit beschränkt auf ATMP, also Zell-, Gewebe- und Gentherapieprodukte) beschleunigt werden.

International abgeglichene Pharmakovigilanz

Gerade seltene oder noch unbekannte Risiken neu zugelassener Arzneimittel können erst beim breiten alltäglichen Gebrauch erkannt werden – umso wichtiger ist das Spontanmeldesystem, über das Ärztinnen und Ärzte unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) elektronisch bei Swissmedic melden sollen.

Insgesamt reichten medizinische Fachpersonen, Direktbetroffene und Angehörige über 17 000 UAW-Verdachtsmeldungen zu den Covid-19-Impfstoffen ein. In intensiver Zusammenarbeit mit den regionalen Pharmakovigilanzzentren wurden die Meldungen analysiert und bei Bedarf Massnahmen ergriffen. Gleichzeitig wurde die Marktüberwachung international eng abgestimmt. Seltene Nebenwirkungen der mRNA-Impfungen wie Myokarditis und Urtikaria wurden in die Fachinformation aufgenommen und den Gesundheitsfachpersonen mitgeteilt.

Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie zentral die Meldungen von UAW für die Patientensicherheit sind.

Bis Mitte 2024 hat Swissmedic regelmässig Updates zu den UAW-Verdachtsmeldungen veröffentlicht und so den Gesundheitsfachleuten und der Bevölkerung wertvolle Informationen geliefert. Auch über Zulassungen und Aufsichtstätigkeiten hat Swissmedic kontinuierlich informiert und in den sozialen Medien den Dialog mit der Bevölkerung geführt.

Fazit

Die Pandemie hat den Wert der eigenständigen, kompetenten Heilmittelbehörde für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten in der Schweiz aufgezeigt. Der beständige Austausch mit den Anspruchsgruppen, die unabhängige wissenschaftliche Prüfung der Impfstoffe im Rolling-Submission-Verfahren, die gründliche und – aufgrund öffentlich zugänglicher Studiendaten – transparente, rasche Zulassung sowie die kontinuierliche Überwachung der Impfstoffe und Arzneimittel trugen viel zur Bewältigung der Coronapandemie in der Schweiz bei.

In einer vergleichbaren Gesundheitskrise sind drei Aspekte besonders wichtig:

  1. eine proaktive Zusammenarbeit aller Akteure über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg;
  2. die ärztliche Therapiefreiheit für individuelle Entscheide pro Patientin und Patient;
  3. das Vertrauen in die Impfstoffe.

Sicher ist: Eine offene Kommunikation und grösstmögliche Transparenz stärken dieses Vertrauen in die Heilmittel.