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Laufbahngestaltung: damit der Beruf zum Leben passt

Die eigene Laufbahn aktiv gestalten – in Abstimmung mit dem Privatleben: Im ärztlichen Beruf ist dies ein besonderer Balanceakt. Zwei Ärztinnen berichten über ihre Erfahrungen dazu und zeigen, wie eine Projektumsetzung zur lebensphasenorientierten Laufbahngestaltung dabei helfen kann.

Entwicklungsmanagement im Kantonsspital Winterthur (KSW): Gemeinsam neue Wege gehen. Bild: © KSW, Urheber der Visualisierungen und Architektur des Neubaus: ARGE RA-B Architekten, Rapp Architekten AG und Butscher Architekten AG, Basel
Entwicklungsmanagement im Kantonsspital Winterthur (KSW): Gemeinsam neue Wege gehen. Bild: © KSW, Urheber der Visualisierungen und Architektur des Neubaus: ARGE RA-B Architekten, Rapp Architekten AG und Butscher Architekten AG, Basel

Sarah Wettstein (Oberärztin) und Sophia Hoff (Assistenzärztin) arbeiten an der Klinik für Innere Medizin am Kantonsspital Winterthur (KSW). Die beiden Ärztinnen haben gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an einem Projekt der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW teilgenommen, das die lebensphasenorientierte Laufbahngestaltung fördert. Im Rahmen dieses Projekts etablierte die KSW-Projektgruppe neue Gefässe und Instrumente, die Ärztinnen und Ärzten auf allen Ebenen der Hierarchie eine strukturierte Entwicklungsplanung erleichtern sollen. In einem Gespräch zur lebensphasenorientierten Laufbahngestaltung teilen sie ihre Sicht auf beruflichen Erfolg und berichten von ihren Erfahrungen bei der Umsetzung des Projekts.

Ein Handbuch mit Good Practices

Ein angewandtes Forschungsprojekt der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW mit sieben Schweizer Spitälern widmete sich der Frage, wie Laufbahnen von Spitalärztinnen und -ärzten besser mit verschiedenen Lebensphasen vereinbart werden können. Mittels Befragung von 557 Ärztinnen und Ärzten und anschliessenden spitalübergreifenden Workshops mit Ärztinnen, Ärzten und HR-Fachpersonen wurden verschiedene Massnahmen entwickelt und umgesetzt. Entstanden ist ein Handbuch, das die aktuelle Situation zur lebensphasenorientierten Laufbahngestaltung beleuchtet und Good Practices aus verschiedenen Kliniken präsentiert. Es unterstreicht zudem die Notwendigkeit struktureller und kultureller Veränderungen, um Laufbahnen besser an vielfältige Lebenssituationen anzupassen.
Der vsao hat gemeinsam mit dem VLSS in der Steuergruppe des Projekts mitgewirkt.

Im Handbuch findet sich unter anderem das vollständige Gespräch mit den beiden Ärztinnen sowie eine ausführliche Schilderung der Einführung einer strukturierten Entwicklungsplanung der Klinik für Innere Medizin des KSW.

In einem Nachfolgeprojekt ab August 2025 werden die gewonnenen Erkenntnisse des FHNW-Projekts mit weiteren Spitälern in Form konkreter Massnahmen umgesetzt. Haben Sie Interesse, mit Ihrer Klinik teilzunehmen? Dann melden Sie sich bei den Autorinnen.

Korrespondenzautorin: Julia Frey, julia.frey@fhnw.ch

Wann ist eine ärztliche Laufbahn heutzutage erfolgreich?

Wir treffen die Ärztinnen zu einem gemeinsamen Gespräch. Auf die Frage, was für sie als Ärztin beruflichen Erfolg ausmacht, antwortet Sarah Wettstein: «Erfolg bedeutet für mich eine hohe Übereinstimmung zwischen eigenen Interessen, Kompetenzen und Talenten sowie den Anforderungen der Tätigkeit.» Sie betont, dass eine erfolgreiche Laufbahn nicht zwingend gradlinig verlaufen muss. «Viel wichtiger ist es, regelmässig zu reflektieren, ob die wichtigen Eckpunkte der aktuellen Tätigkeit noch stimmen, und offen für neue Möglichkeiten zu bleiben.» Sophia Hoff betont die Bedeutung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Fach- und Sozialkompetenz. Für sie ist der Umgang mit Patienten und Kolleginnen ebenso wichtig wie das fachliche Wissen. Besonders beeindruckt ist sie von langjährig tätigen Ärztinnen und Ärzten, die ihre Freude am Fachgebiet bewahren und eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben gefunden haben.

Rahmenbedingungen für eine gelungene Laufbahn

Um die eigene Laufbahn aktiv gestalten zu können, sind für die Ärztinnen unterstützende Führungskräfte sowie ein Betriebsklima, in dem offen über Karrierepläne gesprochen werden kann, zentral. Sophia Hoff hebt die Bedeutung von Vorbildern im Hinblick auf verschiedene Lebensmodelle hervor, z. B. Kaderärztinnen und -ärzte, die Teilzeit arbeiten und/oder aufgrund privater Verpflichtungen die Klinik sichtbar und pünktlich verlassen: «So nehmen Kaderärztinnen und -ärzte, häufig unbewusst, eine Vorbildfunktion für jüngere Kolleginnen und Kollegen ein.»
Neben strukturellen Rahmenbedingungen erwähnt Sarah Wettstein die Arbeitskultur: «Für eine erfolgreiche Laufbahn braucht es eine Kultur, in der die Führungsebene Themen wie Mitarbeitendenförderung, Karriereplanung und Laufbahnmodelle aktiv bearbeitet sowie transparente, zeitgemässe Lösungen sucht und umsetzt. Das ist heutzutage auch eine wesentliche Komponente der Arbeitgeberattraktivität.»
Beide Ärztinnen sind sich einig: Um mehr Ärztinnen und Ärzte im Beruf zu halten und ihnen eine langfristige Zukunft im Spital zu ermöglichen, müssen Teilzeitstellen und flexible Arbeitsmodelle auf allen Stufen zur Selbstverständlichkeit werden. Teilzeitmitarbeitende sollen nicht nur geduldet, sondern gleichwertig gefördert und in Projekte eingebunden werden.

Entwicklungsmanagement: die Projektdurchführung am KSW

Um die Rahmenbedingungen an ihrer eigenen Klinik zu verbessern, arbeiten Sophia und Sarah gemeinsam mit weiteren Ärztinnen und Ärzten sowie HR-Fachpersonen an einem Projekt, das die aktive Laufbahnplanung auf der Basis von qualitativ hochwertigem, kompetenzbasiertem Feedback stärkt. Unter dem Titel «CanMEDs-basiertes Entwicklungsmanagement» werden Funktionen und Tools geschaffen, mit deren Hilfe individuelle Stärken, Entwicklungsfelder, Wünsche und Pläne abgebildet und Perspektiven für die berufliche Zukunft aufgezeigt werden können – in Abstimmung mit dem Privatleben (Details zum Projektinhalt finden sich im Handbuch auf S. 27).
Beide Ärztinnen berichten von den Vorteilen, die ihnen die Projektmitwirkung gebracht hat. Sarah Wettstein: «Die Projektarbeit ist vielseitig, herausfordernd und erweitert meinen Horizont. Ich lerne nicht nur inhaltlich dazu – zum Beispiel zur Feedbacktheorie –, sondern auch strukturell, zum Beispiel, wie Beförderungsprozesse im Spital ablaufen. Unschätzbar wertvoll ist zudem die Vernetzung über die Klinik hinaus mit dem HR und anderen Stakeholdern im Spital.»
Sophia Hoff ergänzt: «Durch die Mitarbeit im Projekt habe ich einen Einblick hinter die Kulissen des Spitals bekommen: Einerseits war die Zusammenarbeit mit dem HR neu für mich. Ich habe viel über den Aufgabenbereich der HR-Fachpersonen gelernt. Ihr Engagement und ihr arbeitspsychologischer Hintergrund kamen unserem Projekt zugute. Andererseits lernte ich das organisatorische Gerüst des Spitals kennen, etwa die strukturellen Abläufe und wie man Genehmigungen einholt, verschiedene Stakeholder abholt und von unserer Arbeit überzeugt, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Gerade dort waren wir um die Unterstützung des HR sehr dankbar. Am beeindruckendsten waren für mich aber das Engagement und die Zusammenarbeit des gesamten interdisziplinären Teams: Es war schön, zu sehen, dass das Entwicklungsmanagement – das ja vor allem für junge Ärztinnen und Ärzte essenziell ist – ein Thema ist, für das sich viele Berufsgruppen gern einsetzen.»

Vorteile eines systematischen Entwicklungsmanagements

Beide Ärztinnen sind von den Vorteilen überzeugt, die das neue Entwicklungsmanagement mit sich bringt: Durch gezielte Förderung und transparente, lebensphasenorientierte Laufbahnplanung können Talente besser erkannt und eingesetzt sowie die Arbeitszufriedenheit erhöht werden. Auch kann seitens der Klinikleitung mit den neuen Tools eine Nachfolgeplanung besser gelingen. Sarah und Sophia sind sich sicher, dass eine systematische Förderung der Mitarbeitenden und eine engagierte Arbeitskultur langfristig zu einem attraktiveren Arbeitsplatz beitragen, was zweifellos der Qualität der medizinischen Versorgung zugutekommt.

Literatur

  • Küllenberg, J., Frey, J. (2025). Damit der Beruf zum Leben passt: Lebensphasenorientierte Laufbahngestaltung für Ärztinnen und Ärzte. Ein Handbuch mit aktuellen Erkenntnissen und Massnahmen aus der Praxis für mehr Chancengleichheit in Schweizer Spitälern. Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. doi: 10.26041/fhnw-12351