• Aus dem vsao

80 Jahre vsao in acht Stationen

Am Anfang stand die Forderung nach einem Lohn, dann gelangten zunehmend die Arbeitszeiten und die Weiterbildung in den Fokus. Zum 80-jährigen Bestehen des vsao haben wir einige prägende Fakten aus der bewegten Geschichte des Verbands zusammengetragen.  

Im November 1998 waren die Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte das grosse Thema in der SRF-Sendung «Arena». Bild: Screenshot aus der SRF-Sendung
Im November 1998 waren die Arbeitszeiten der Assistenzärztinnen und -ärzte das grosse Thema in der SRF-Sendung «Arena». Bild: Screenshot aus der SRF-Sendung

1. Ein erster erfolgloser Versuch – weiterhin Arbeit ohne Lohn   

Den vsao gibt es seit 1945, aber die Idee eines Verbands der Assistenzärzteschaft ist älter. Bereits im Dezember 1908 wurde gemäss einem Bericht in der «Berner Tagwacht» ein Verband von Assistenzärzten gegründet. Ob auch Frauen dabei waren, lässt sich nicht eruieren, scheint aber eher unwahrscheinlich. Ziel des Verbands war die «ökonomische Besserstellung» der Mitglieder. An der Gründungsversammlung in Olten waren damals Ärzte aus fast der ganzen Schweiz vertreten, nur Graubünden, Tessin und die Zentralschweiz fehlten gemäss den Quellen. Eine erste Forderung war ein Lohn von 1500 Franken jährlich sowie kostenlose Unterkunft und Verpflegung. Die Forderung wurde von den Medien als durchaus berechtigt und moderat bewertet – konnte aber nicht durchgesetzt werden. Bis in die 1940er-Jahre mussten Assistenzärztinnen und -ärzte oft gratis arbeiten und erhielten weder Kost noch Logis. Ohnehin scheint der Verband kein durchschlagender Erfolg gewesen zu sein, denn weitere Berichte über Aktivitäten nach der Gründungsversammlung sind nicht auffindbar.    

2. Gründung des vsao und Fortschritte in der Lohnfrage

Erfolgreicher waren die Bemühungen, die junge Ärztinnen und Ärzte nach dem Zweiten Weltkrieg unternahmen. Im Juli 1945 gründeten sie den Verband Schweizerischer Assistenzärzte – unseren Verband, den es auch heute noch gibt und der seither einige Erfolge feiern konnte. Hauptmotivation und -zweck des Verbands war wiederum die Lohnfrage. Diesmal waren jedoch die Forderungen mit 3600 Franken Jahreslohn im ersten bis 6000 Franken im vierten Assistenzjahr etwas weniger bescheiden. Die Medien kommentierten die Forderung wohlwollend und sahen sie als berechtigt an. Mit einer Motion im Kantonsparlament konnte sie bereits 1946 im Kanton Bern und 1947 auch national durchgesetzt werden. Geregelt wurde dies in einem sogenannten Normalarbeitsvertrag, der gesamtschweizerisch Gültigkeit hatte. Im Vertrag festgehalten war allerdings auch die Arbeitszeit der Assistenzärztinnen und -ärzte: «Die Arbeits- und Präsenzzeit des Assistenten richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der Anstalt», hiess es wörtlich. Die Assistenzärztinnen und -ärzte konnten so praktisch beliebig zu Arbeitseinsätzen verpflichtet werden – ein Problem, das uns in etwas abgeschwächtem Mass bis heute beschäftigt.

3. Der Verband wächst und erweitert sein Aufgabengebiet

Nachdem die Lohnfrage geklärt war, standen lange Zeit vor allem Forderungen nach kürzeren Arbeitszeiten im Vordergrund. Gleichzeitig wuchs der Verband und erweiterte sein Einsatzgebiet. Seit 1971 sind auch Oberärztinnen und -ärzte dabei, 1978 folgte der Beitritt zur Europäischen Vereinigung der Assistenzärztinnen und -ärzte, 1987 die offizielle Einbindung in die FMH. 1985 wurde die Pensionskasse (Vorsorgestiftung vsao) gegründet. Nur ein Jahr später folgte mit medpension eine weitere Pensionskasse für Selbständigerwerbende und 1988 der Verein mediservice vsao-asmac, der seither für Dienstleistungen wie z. B. Kollektivversicherungen zuständig ist. 1993 wurde die eindrückliche Zahl von 10 000 Mitgliedern erreicht, die sich seither mehr als verdoppelt hat.

4. Bleistiftstreik, Medienpräsenz und eine 55-Stunden-Woche

Während dieser Phase des Wachstums und der Konsolidierung stellte sich die Frage der Arbeitszeiten von Assistenzärztinnen und -ärzten immer dringlicher. 1987 erhob der vsao erstmals die Arbeitszeiten von Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten. Gemäss der Umfrage betrug die geplante Wochenarbeitszeit im Durchschnitt mindestens 60 Stunden, real war die Arbeitszeit wesentlich höher. Der Anteil der Weiterbildung war viel zu klein – die Rede war von drei Prozent der Arbeitszeit. Der vsao forderte die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 50 Stunden, dies unter anderem mit einer Einzelinitiative im Zürcher Kantonsrat. Auch die bürgerliche NZZ anerkannte schon damals, dass die Arbeitszeiten «übermässig» seien. Ab 1989 führten unter anderem die Kantone Zürich, Aargau und Waadt eine Beschränkung auf 55 Wochenstunden ein. Trotz dieser Teilerfolge erhöhte sich der Leidensdruck in den 1990er-Jahren weiter. Dass die Situation sich real nicht wirklich besserte, zeigte auch eine Untersuchung des Kantons Bern, die 1998 eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von über 66 Stunden ermittelte.

Die sich zuspitzende Situation gipfelte im November 1998 im Zürcher «Bleistiftstreik» – einem Teilstreik, der die administrativen Arbeiten betraf. Der nationale Verband solidarisierte sich, der Streik löste ein grosses Echo aus mit viel Medienpräsenz, unter anderem auch in der vielbeachteten SRF-Sendung «Arena». Die Zürcher Sektion beschloss Anfang Dezember, den Streik auszusetzen, weil sich die Zürcher Regierung grundsätzlich bereit erklärt hatte, Verhandlungen zu einem Gesamtarbeitsvertrag aufzunehmen. Ein solcher konnte schliesslich im Dezember 1999 unterzeichnet werden und brachte die schrittweise Senkung der Wochenarbeitszeit auf 50 Stunden.

5. Das Arbeitsgesetz gilt – ein Meilenstein

Der vsao strebte aber auch eine nationale Lösung an, weshalb der Berner Nationalrat Marc F. Suter noch im Dezember 1998 eine parlamentarische Initiative unter dem Titel «Menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Assistenzärzte» lancierte. Sie verlangte, die Assistenzärztinnen und -ärzte dem Arbeitsgesetz zu unterstellen, das damals schon eine maximale Arbeitszeit von 50 Stunden pro Woche vorsah. Das Grundanliegen der Initiative war mittlerweile unbestritten, und so stimmten National- und Ständerat im März 2002 dem Umsetzungsvorschlag zu und das Arbeitsgesetz wurde per 1. Januar 2005 entsprechend geändert. Das war zwar nicht das Ende aller Probleme und Diskussionen rund um die Arbeitszeiten, aber dennoch ein Meilenstein und einer der ganz grossen Erfolge in der Geschichte des Verbands.

6. Ein Laufbahnkongress für den Nachwuchs 

Je länger, je mehr kümmerte sich der vsao auch um andere Ziele, z. B. die Nachwuchsförderung. So fand am 31. Mai 2008 der erste vsao-Laufbahnkongress medifuture statt – damals im Hotel Bellevue Palace in Bern. Im September gab es bereits eine Neuauflage der Veranstaltung in Zürich, seither findet sie jährlich im November in Bern statt. Vor allem für Medizinstudierende hat sich medifuture zu einem wichtigen Anlass entwickelt, der Gelegenheit bietet, Karrierewege und Arbeitgeber kennenzulernen sowie Kontakte zu knüpfen.

7. Kaum Fortschritte bei den Arbeitszeiten

Die Arbeitsbelastung von Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten blieb und bleibt ein zentrales Thema im Verband. 2014 bestätigte die grosse und repräsentative Umfrage zur Arbeitsbelastung, dass fast sieben von zehn Befragten weiterhin nicht gesetzeskonform arbeiteten. Seither wurde die Umfrage alle drei Jahre wiederholt, zuletzt 2023 – und es hat sich gezeigt, dass zumindest in Sachen Arbeitszeiten kaum Fortschritte gemacht wurden.

8. 42+4-Stunden-Woche kommt ins Rollen

Die Tatsache, dass das Arbeitsgesetz weiterhin viel zu oft nicht eingehalten wird, sowie ein zunehmender Leidensdruck bei den Mitgliedern führten dazu, dass der Verband 2021 die Forderung nach der 42+4-Stunden-Woche erhob. Indem mit maximal 42 Stunden Dienstleistung rund um die Patientenbetreuung geplant wird, soll das Arbeitsgesetz besser eingehalten werden können. Zudem sollen fix vier Stunden strukturierte Weiterbildung pro Woche eingeplant werden, damit diesem Anrecht auf Weiterbildung gezielt entsprochen werden kann. Ein Anliegen, das langsam ins Rollen kommt: Mittlerweile wenden doch einige Spitäler diese Formel an und sie ist seit Kurzem auch Teil der Gesamtarbeitsverträge in den Kantonen Tessin und Wallis.