• My Way

Was braucht die Hausarztmedizin, Sven Streit?

Hausarzt ist sein Traumberuf – und diesen will er auch anderen näherbringen. Deshalb gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen an Medizinstudierende weiter und ist standespolitisch aktiv.

«Ich finde es inspirierend, mit wie viel Herzblut sich Sven Streit für die Förderung der hausärztlichen Grundversorgung einsetzt – keine einfache, aber eine äusserst wichtige Aufgabe.»

Fabian Kraxner, Redaktionsmitglied und Facharzt

Sven Streit, warum sind Sie Hausarzt geworden?

Im Studium hat mich vieles interessiert, aber als ich bei einem Hausarzt in der Sprechstunde die Breite des Berufs, die persönliche Medizin und seine empathische Herangehensweise gesehen habe, war der Fall für mich klar.

Wie wichtig sind solche Vorbilder?

Ich denke, solche Begegnungen dürfen wir nicht unterschätzen. Der Arztberuf ist ein wunderschöner Beruf, weil er so breit gefächert ist, dass man auch ganz neue Wege gehen und sich nach seinen individuellen Bedürfnissen verwirklichen kann. Aber damit junge Menschen erfahren, was es alles gibt, und auch den Mut haben, ihren eigenen Weg zu gehen, sind der direkte Kontakt und der Austausch mit den Jungen entscheidend. Für die Hausarztmedizin ist das Programm «Praxisassistenz» sehr wichtig, denn da erfahren sie, wie vielfältig und bereichernd dieser Beruf ist.

Als Professor an der Universität Bern und Präsident der Nachwuchsförderungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin kommen Sie oft in Kontakt mit jungen Menschen. War für Sie seit jeher klar, dass Sie mehr tun möchten, als «nur» zu praktizieren?

Auch da hatte ich mit dem bereits erwähnten Hausarzt einen Mentor, der mich ermutigt hat, mich zu äussern und Probleme aktiv anzugehen. Die Laufbahn von Ärztinnen und Ärzten ist geprägt von einigen besonders fordernden Phasen – beispielsweise der Zeit vor den Prüfungen oder der Assistenzzeit –, und viele möchten diese so schnell wie möglich hinter sich bringen. Es gibt jedoch auch immer einige Menschen, die etwas ändern wollen, damit die nächste Generation nicht dasselbe erleben muss. Dies ist für mich die DNA des vsao. Ich verurteile niemanden, der sich nicht auf der standespolitischen Ebene engagiert. Aber Jammern allein bringt uns nicht weiter. Es braucht Menschen, die sich die Zeit nehmen, um positive Veränderungen herbeizuführen.

Ein grosses Problem in der Grundversorgung ist der Fachkräftemangel. Warum gibt es diese Lücken, und wie lassen sie sich schliessen?

Es gibt verschiedene Gründe. Ich bin aber optimistisch gestimmt, dass der Nachwuchs kommen wird. Wir sehen bei Erhebungen am Ende des Studiums, dass das Interesse an der Hausarztmedizin wächst, und das deckt sich mit meinen Erfahrungen als Hausarzt. Aber eine Lücke hat ja einen linken und einen rechten Pfosten. Wenn der eine Pfosten der Nachwuchs ist, dann ist der andere Pfosten der Bedarf der Bevölkerung. Und dieser verschiebt sich auch, jedoch in die falsche Richtung. Hier gibt es Optimierungspotenzial.

Inwiefern?

Neben dem effektiven Bedarf der Bevölkerung, beispielsweise durch zunehmende chronische Krankheiten, sorgen auch andere Faktoren für mehr Aufwand. Wie auch die Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern benötige ich viel Zeit für die Administration, gleichzeitig spüre ich die Auswirkungen einer fragmentierten Medizin und der Lücken in der Digitalisierung. Oft erhalte ich beispielsweise nach einem Spitalaufenthalt nicht alle Informationen und muss diese selbst zusammensuchen, was sehr zeitaufwendig sein kann. Ich versuche jedoch, mit den Personen in Kontakt zu treten, um die Informationen möglichst vollständig zusammenzuführen. Denn manchmal muss man Zeit investieren, um letztendlich Zeit zu sparen.

Zur Person

Sven Streit ist Hausarzt in eigener Praxis und Professor für Interprofessionelle Grundversorgung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) an der Universität Bern. Patientenzentrierte Forschung, Nachwuchsförderung und Teamarbeit sind ihm wichtig, was ihn neben der SGAIM auch in der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) und bei der IG eMediplan (www.emediplan.ch) antreibt.

Sven Streit war Gesprächspartner in diversen Podcasts zu verschiedenen Themen: